Hämmert dein Puls an deinem Hals, wenn du an dein nächstes Match denkst?
Hast du eine leise, aber dominante Stimme im Ohr?
Die dir flüstert: "Das wird doch eh wieder nichts!"?
Als Trainingsweltmeister läufst du mit einem Etikett an deinem Shirt durch die Gegend.
Nicht Lacoste, nicht Nike.
Nein, eben: Trainingsweltmeister.
Die Leute in deinem Verein wissen um deinen Makel. In der Mannschaft bist du nicht der sichere Punkt. Zu groß die Diskrepanz zwischen Training und Match. Zu oft hast du Spiele verloren, die du niemals für dich und dein Team hättest verlieren dürfen.
Aber spielt es sich aus einer solchen Position heraus nicht lockerer?
Hast du nicht einen Vorteil?
Kannst du eine "Jetzt zeige ich es euch erst recht"-Attitüde entwickeln?
Wer erwartet denn etwas Großes von dir, außer du selbst?
Die Menschen sind mit ihren eigenen Nöten beschäftigt. Unsere Welt versinkt derzeit im Chaos. Zwei amerikanische Psychopathen drehen durch.
Es interessiert am Dienstag niemanden mehr, was du Samstag auf dem Tennisplatz verbrochen hast. Du trainierst, ackerst und bist mit mehr Leidenschaft beim Tennis als viele andere Vereinsmitglieder.
Natürlich willst du für deinen Einsatz in Meden- und Turnierspielen Erfolge sehen. Natürlich willst du gutes Tennis zeigen, wichtige Punkte für dein Team holen und dich langsam im Ranking nach oben spielen.
Aber da steht dir jemand im Weg. Er fängt mit "P" an.
Und hört mit "mus" auf.
Von wem ich spreche?
Perfektionismus.
Du nimmst dir vor, im Match so gut wie im Training zu spielen. Du erwartest Großes von dir. Wir gehen gleich noch weiter auf diesen zerstörenden Vergleich ein.
Bevor wir das tun, müssen wir ein "perfektes" Match definieren.
Kennst du den Ratschlag:
"Geh einfach da raus und spiel dein bestes Tennis!".
Was ein Bullsh!t.
Trainer und andere Leute mit gut gemeinten Ratschlägen haben eine sehr einfache Vorstellung von dem, was vor dir liegt. Kaum jemand weiß, was wirklich in deinem Kopf passiert. Dass du dich die Nacht vor einem Match nur im Bett von links nach rechts drehst.
Jede Stunde auf die Uhr schaust.
Nochmal bei MyBigPoint die letzten Ergebnisse deines Gegners checkst.
Und nur maximal die letzten zwei Stunden der Nacht geschlafen hast. Was heißt Schlafen. Ein Zustand zwischen wach und einer Träumerei. Aber definitiv nicht wach.
So wie die Stunden zuvor.
Niemand kann deine Gefühle erahnen, wenn du gegen einen im Ranking viel schwächeren Spieler den Platz mit der Angst betrittst, dich blamieren zu können. Nur wenige Spieler können das Gefühl nachempfinden, wenn dich die Blicke der Zuschauer unter Druck setzen - ohne dass ein Wort gesprochen wird.
Dein Puls hämmert an deinem Hals. Dein Magen zieht sich zusammen.
Deine Hände werden schwitzig.
Wie sollst du so dein bestes Tennis spielen?
Was ist ein perfektes Match?
Nein, lieber Tennisfreund. Das ist kein Match, in dem du kaum Fehler machst, jeden ersten Aufschlag triffst, Asse schlägst und die Vorhand-Longline wie auf Knopfdruck kommt. Das ist Surrealismus. Kein perfektes Match.
Ein perfektes Match ist ein Match, indem du die ärgerlichsten Fehler sofort abhakst. Das ist ein Match, indem du nie den Glauben an den Sieg verlierst, nie zu negativ, aber auch nie zu positiv wirst. Das ist ein Match, indem du deine Tagesform schnell akzeptierst.
Sei sie gut oder schwach wie noch nie.
Ein perfektes Match hast du gespielt, wenn du dein Herz auf dem Platz gelassen und viel gelernt hast.
Du kannst weiterhin diesem Traum nachrennen, absolut fehlerfrei und ohne Makel Tennis zu spielen. Dabei drücke ich dir die Daumen. Aber denk nochmal nach. Ist das realistisch?
Ist das gesund?
Ist das fair, dir gegenüber?
Meinen Erfahrungen nach führt das nur zu Frust.
Aber was kannst du ändern? Wie kannst du das Kostüm des Trainingsweltmeisters abstreifen?
Hier eine Idee:
Betrachte Training und Match als zwei verschiedene Sportarten. Betrachte dich als zwei verschiedene Spieler. Analysiere genau, was der Spieler aus dem Match von dem Spieler aus dem Training lernen kann.
Das kann dir völlig neue Perspektiven eröffnen.
Du kannst Training und Match nicht miteinander vergleichen.
Lass uns darauf genauer eingehen.
Als Spieler bist du dir nicht bewusst, wie verschieden die Umstände sind.
Du bist viel zu hart mit dir. Fast schon ungerecht.
Du spielst Wettkampf-Tennis auf dir unbekannten Anlagen. Damit geht es schon los. Der Unterschied zwischen Training und Match.
Aber neben der Location gibt es unzählige, individuelle Unterschiede zu deinen Trainingsspielen.
Hier eine Liste an Einflüssen, die in dein Spiel eingreifen:
Vieles ist anders als in deinen Trainingsspielen und hat Einfluss auf deine Vorhand.
Aber dennoch erwartest du von dir, dass du im Match, auf der großen Bühne, die Leistung abrufst, die du im Training zeigst.
Auf der kleinen Bühne.
Da passt der Denkansatz nicht.
Der Begriff „Trainingsweltmeister“ wird oft negativ interpretiert.
Allerdings ist er dies überhaupt nicht, da der Weltmeister im Training nicht so viel mit dem Spieler im Match zu tun hat.
Ein Trainingsweltmeister ist ein hervorragender Tennisspieler, der sich nur noch nicht darüber bewusst ist, dass ein Match eben kein Training ist.
Du hörst auf, Training und Match miteinander zu vergleichen. Dies ist der erste wichtige Schritt, um überhaupt einen klaren Blick auf deinen Tennischarakter zu erhaschen.
Du findest hier 5 mentale Übungen.
Der klare Blick beantwortet die folgenden Fragen:
Viele Spieler, die ihre Trainings- und Matchleistungen miteinander vergleichen, sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Klar, das Ego sitzt dir auf dem Court im Nacken und beißt sich fest.
Aber es gehört zu deinen Aufgaben, dieses Ego abzuschütteln und einen klaren Blick zu gewinnen.
Vor C*r*na gab ich einen Workshop in einem Tennisverein in NRW.
Nie zuvor hatte ich das getan. Ich rechnete mit fünf bis zehn Spielern.
Als ich an der Anlage eintraf, schockierten mich die vielen Autos. Ich hoffte, diese gehörten zum naheliegenden Fußballplatz.
Falsch gedacht.
Im Vereinshaus erwarteten mich knapp 50 Spieler, die auf meinen Workshop warteten.
"Fuck!" - dachte ich mir.
Kurzzeitig vergaß ich alles, was ich vorbereitet hatte. Schnell blätterte ich meine Unterlagen durch. Heutzutage spreche ich frei - ohne Hilfszettel. Das hatte ich mir auch für diesen ersten Workshop vorgenommen.
Aber meine Angst zwang mich dazu, anders zu handeln.
Aber mein Problem war noch da. Die 50 Leute. Mindestens 40 zu viel.
Ich stand vor diesem Pulk Menschen. Schaute wild rechts und links umher. Fand den Faden nicht. Ich blubberte einige Informationen über meine Person.
Dann, nachdem die erste Rückfrage gekommen war, lockerte sich die Stimmung. Auch ich wurde lockerer. Mein Geist passte sich der Situation an. Weniger "Ahs" und "Ähms" in meiner Sprache. Ich verhaspelte mich nicht mehr so oft.
Nach knapp zwei Stunden war ich fertig. Körperlich und mental. Aber ich fühlte mich hervorragend, weil ich diese kritische Situation gemeistert hatte. Nicht perfekt. Aber die Leute waren zufrieden.
Was hat das mit deiner Angst vor Turnieren zu tun?
Eine ganze Menge, lieber Freund der fliegenden Filzkugel.
Spiele so viele Turniere, wie geht. Je größer die Angst vor einem Turnier, desto besser. Es geht für dich nicht darum, jedes Turnier erfolgreich zu bestreiten. Es geht für dich darum, ein besserer Turnierspieler zu werden. Du kannst nur ein besserer Turnierspieler werden, wenn du dich immer und immer wieder selbst in die Situation des Turniers wirfst.
Was soll passieren?
Oh, du könntest ein Tennisspiel verlieren. Katastrophe. Aber wir haben zu Beginn dieses Briefes bereits besprochen, dass das niemanden interessiert - außer dich. Und dich sollte nur interessieren, was du aus Niederlagen lernen kannst.
Je mehr du verlierst, desto mehr lernst du. Niederlagen sind der beste und schnellste Weg, besser Tennis zu spielen.
Im mentalen Training gibt es drei Stufen, die deine Leistung formen:
Was du denkst, erzeugt in dir ein Gefühl. Dieses Gefühl beeinflusst deine Schläge und Entscheidungen.
Das beste Beispiel für dieses Stufensystem:
Du hast ein Match gegen einen Mondballspieler vor dem Schläger. Du hast in der Vergangenheit katastrophale Erfahrungen mit einem solchen Spielertypus gemacht. Dementsprechend sind deine Gedanken vor einem Match:
"Oh man, da werde ich wieder Fehler machen. Jeder Punkt muss gefühlt zweimal erspielt werden. Da habe ich jetzt schon keine Lust drauf. Gegen diese Leute sehe ich immer aus wie ein Anfänger!"
Diese Gedanken lösen in dir negative Emotionen aus:
Mit einem solchen Gefühl spielt es sich natürlich nicht allzu locker.
Was kannst du also stattdessen tun?
Wie kannst du dich auf deine Turnier- und Mannschaftsspiele vorbereiten, damit du dein bestmögliches Tennis spielst und den Anzug des Trainingsweltmeisters abstreifen kannst?
Gehe wie folgt vor:
Wovor hast du Angst?
Geh auf die Tennisplätze dieser Welt und:
Spiele!
2 Kommentare
Sportlichen Gruß Christian
danke für dein Feedback und viel Erfolg!
Marco
Was denkst du?