Psychologie beim Tennis: Warum der Charakter ein Schlag ohne Racket ist

Marco Kühn
von Marco Kühn

Stapf, stapf, stapf ...

Geduckte Körperhaltung, Blick nach unten. Ein kurzer Schluck aus der Wasserflasche. 

Eh alles für die schwarze Tonne heut`. Wofür auf die Bank setzen beim Seitenwechsel? Du willst schnellst möglich unter die Dusche. Fort von diesem Ort des Grauens, den die nichts wissenden Tennisplatz nennen.

Zack.

Zurück zur Grundlinie. Irgendwie die letzten Aufschlagspiele hinter sich bringen. Ein Plan: Jeden Ball mit 240 km/h prügeln. Dann geht´s schneller. Fehler oder Winner.

Im Match fühlt man sich manchmal wie ein ferngesteuertes Auto. Wir flitzen über den Platz, haben keinerlei Kontrolle über das, was wir tun. Unsere Gedanken rasen wie eine Achterbahn durch unseren Kopf. 

Die Psychologie beim Tennis hat uns im Schwitzkasten.

Du scheinst keine Kontrolle über deine Emotionen zu haben.

Ist hier eine dunkle Macht am Werk? Oder sind dies normale Abläufe, die wir uns über Jahre unbewusst antrainiert haben?

Und, was verflucht hat dein Charakter mit deinen vielen unnötigen Fehlern zu tun?

Wie die Psychologie Tennis beeinflusst

Lehn dich zurück und nimm einen Schluck vom heißen Kaffee.

Wir beschäftigen uns in diesem Artikel mit der Psychologie beim Tennis und werden herausfinden, warum dein Charakter neben deinen Grundschlägen ein wichtiges Element in deinem Spiel ist.

Der Schlag ohne Racket.

Drei Fragen habe ich für uns rausgepickt. Drei Antworten werden wir entdecken. Und diese drei Antworten können dich zu einem besseren Tennisspieler formen. Nicht sofort, nach dem lesen des Artikels. Aber langfristig, wenn du deine neuen Erkenntnisse umsetzt.

Damals, als ich die Vorhand kurz-cross lernte

Brütend heiß war es. Problemlos hätte man ein Spiegelei auf der Motorhaube braten können.

Ich stand auf dem Court, der zwei Minuten nach dem Bewässern trockener war als der Humor von Dieter Nuhr. Mein Coach Tom wollte, dass ich kurze Bälle als kurz-cross spiele. 

Ausschließlich mit meiner Vorhand.

Das gelang mir erst nicht. Ich spielte zu schnell, zu unplatziert und zu kopflos.

Er sagte:

"Marco, du bist doch ein ruhiges Kerlchen, das nachdenken kann. Nimm mal die Hektik raus. Aus deinem Kopf und aus deinen Bewegungen. Bleib ruhiger stehen, wenn du am Ball bist und den Schlag ausführst! So, wie du auch neben dem Platz bist. Ruhig, besonnen, in dich gekehrt."

Gesagt, getan.

Und siehe da. Es fluppte langsam. 

Das war meine erste Begegnung mit dem Charakter auf dem Tennisplatz und wie er auf deine Spielweise, aber auch auf deine Schlagentscheidungen, Einfluss nehmen kann. 

Lass uns gemeinsam schauen, warum du Angst während eines Matches verspürst, wie man Selbstvertrauen auf gesunde Weise aufbaut und was psychisch starke Spieler auszeichnet.

Lust? Dann komm mit.

Lesetipp beim Tennisarm: Die Masalo Manschette

Angst: Warum man sie fühlt und wie sie dich blockiert

Wir alle haben einen kleinen Da Vinci in uns.

Wir malen Bilder von Situationen in unseren Gedanken, so detailreich und perfekt, die wir noch nicht erlebt haben. Man munkelt noch, ob ein anderes Lebewesen außer dem Menschen so perfekt den Gedankenpinsel schwingt.

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Wir schauen in den Kopf von Sabine, 47 Jahre jung, Oberligaspielerin mit einer starken Vorhand, flinken Füßen und einer sicheren Rückhand.

Zwei Tage vor dem Match:

"Was wird mein Mann Paul nur denken, wenn ich Samstag mein Einzel verliere? Er weiß, dass ich gegen diese Gegnerin bereits zweimal gewonnen habe. Ich fühle mich so unsicher derzeit und habe Schiss, dass ich mir Samstag wieder selbst im Weg stehe und den Ball nur schubse ... Mist, ich habe jetzt schon Angst!"

Ein Gemälde eines Horrorbildes.

Siehst du die Dunkelheit in diesem Bild? Die Hoffnungslosigkeit? Die pure Angst?

Was passiert im Bereich der Psychologie beim Tennis?

Sabine malt ein Szenario des kommenden Matches. Sie setzt sich durch die mögliche Meinung ihres Mannes, die sie nicht kennen kann, maximal unter Druck. Dazu tupft sie eine Szene in ihr Bild, vor dem sie im Match kapitulieren würde, wenn sie zur Realität wird: 

Das Schubsen des Balles.

Am Tag des Matches steht Sabine mit Pudding in den Beinen, verkrampften Armen und ängstlichen Augen auf dem Court. Das Gegenteil von Winning Ugly.

Was sie nicht wahrnehmen kann, weil sie in sich gefangen ist:

Der Dame gegenüber geht es nicht viel besser.

Die ersten Aufschlagspiele laufen recht gut. Sabine gewinnt längere Ballwechsel, pusht sich und kann ihre Angst hinter einer schmalen, löchrigen und nicht verschlossenen Kellertür verbergen.

Aber dann, scheinbar wie aus dem Nichts:

Der Schalter legt sich um. Es geht nichts mehr. Die ersten zu kurz geratenen und verhalten gespielten Vorhände lassen die Angst wie Michael Myers aus der schmalen, löchrigen Kellertür schnellen.

Ab sofort nimmt die Angst das Racket in die Hand. Sabine ist nur noch ein stiller Beobachter dessen, was nun mit ihrem Spiel passiert.

Hinterher wird sie ihren Teamkolleginnen erzählen, dass sie einfach nichts gegen ihre Unsicherheit tun konnte. Sie kam einfach, diese übermächtige Angst.

Doch stimmt das? Kam diese Angst "aus dem Nichts"?

Die Angst hat in ihren Gedanken vor dem Match eine ganz klar definierte Form angenommen. Sabine hat ihr Unterbewusstsein mit allerhand Informationen gefüllt. Das Unterbewusstsein hat dann, als sich Sabine in der von ihr zuvor im Kopf entworfenen Szene befunden hat, einfach diese Informationen abgespielt.

Ein vollkommen logischer Ablauf der menschlichen Psyche.

Mein Input:

Angst entsteht nicht auf dem Court, während eines Matches. Jede Form der Angst entsteht in den Bildern, mit denen man vor einem Match sein Unterbewusstsein befüllt. Du kannst dich mental besser auf ein Match vorbereiten, wenn du detailliert Spielzüge im Kopf durchgehst, die kein Ende haben. Weder einen Winner, noch einen Fehler.

Wie baut man Selbstvertrauen auf?

Du hättest gelacht, wenn du mich gesehen hättest.

Meine erste YouTube-Gitarrenstunde war ein Krampf. Ich konnte das gute Stück nicht richtig halten und hatte zuvor nicht bekannte Koordinationsprobleme zwischen rechter und linker Hand.

Drei geschlagene Stunde brauchte ich für den ersten Akkord. Und dann brauchte ich eine Pause.

Am nächsten Tag stiefelte ich erneut in mein Arbeitszimmer, griff mir die Gitarre, öffnete den YouTube-Kanal - und schaffte nur die Hälfte von dem, was ich am Vortag auf die Gitarrensaiten zauberte.

Fünf Tage später dann, unser Mini Australian Shepherd Dexter lag bereits mit den Pfoten auf seinen Ohren vergraben in der hintersten Ecke, der Durchbruch.

Dexter

Die erste Melodie kroch aus den Saiten. "Nothing Else Matters" von Metallica konnte zumindest ich am Klangbild erkennen. Seit diesem Tag gehe ich jede Gitarrensession mit Selbstvertrauen, nicht mit Unsicherheit, an.

"Boah Kühn, ich will selbstbewusst wie Djokovic im fünften Satz spielen, was muss ich tun?".

Ruhig Ball, mein Freund.

Viele Spieler setzen sich beim Thema Selbstvertrauen eine zu kurze Frist. Echtes, gesundes Selbstvertrauen, entsteht durch kleine, konstante Fortschritte.

Diese Fortschritte dürfen kleiner als eine Ameise sein. 

Bereits das Wahrnehmen von Situationen in einem Match kann ein Fortschritt sein. Wenn du ein verdammt ängstlicher Charakter auf dem Tenniscourt bist, dann ist es ein Erfolg für dich, wenn du diese Angst bewusst wahrnehmen kannst. 

Der nächste Schritt wäre, dass du diese Angst, diese Schwäche, akzeptierst. Nachdem dies geschehen ist, kannst du beginnen deine Angst mal zu fragen, wie sie es denn immer auf den Platz schafft. 

Und dann, erst dann, kannst du beginnen das Ritual namens Angst mit einem anderen Ritual zu ersetzen. Mut, zum Beispiel. Oder Zuversicht. 

Oder Humor. Der kommt eh viel zu kurz, obwohl der großartige Novak Djokovic sogar in epischen Matches immer mal wieder ein Grinsen zeigt.

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Psychologie beim Tennis: Was zeichnet mental starke Spieler aus?

Kommen wir um ihn herum, wenn wir diese Frage präzise beantworten wollen?

Nein, das kommen wir nicht.

Novak Djokovic vereint die wichtigsten Fähigkeiten, die ein psychisch starker Spieler besitzen kann. Er ist nicht nur bei der Dosierung der Essensrationen ein Perfektionist. Seine Denk- und Verhaltensmuster werden ebenso wenig Kommissar Zufall überlassen.

Lesetipp: Die ultimative Anleitung für einen perfekten Aufschlag

Ich habe mir für diese Frage zwei Antworten aufgeschrieben, die sich in ihrer Fähigkeit ergänzen:

1) Kontrolle der Emotionen

2) Akzeptieren von Tatsachen

"Wie? Tatsachen akzeptieren? Das kann ich doch, ich bin doch nicht blöd!".

Nein, das kannst du in vollem Umfang nicht. Und das ist auch nicht schlimm. 

Bisher habe ich noch nicht ergründen können warum, aber:

Während eines hitzigen Matches können nur wenige Spieler Tatsachen einfach hinnehmen. Wie zum Beispiel:

  • Abhaken leichter Fehler
  • Dem Gegner einen grandiosen Punkt gönnen
  • Unsportliches Verhalten des Gegners nicht an sich rankommen lassen
  • Netzroller, Linienbälle oder Platzfehler emotionslos hinnehmen

Du siehst ein paar Zeilen weiter oben, dass wir als Punkt Numero Uno die Kontrolle der Emotionen stehen haben. Diese Fähigkeit, in Kombination mit dem Akzeptieren von Tatsachen, ist der Brandbeschleuniger für die sportliche Entwicklung.

Warum sind diese Fähigkeit beim Tennis so wichtig für dich?

Ein Tennismatch besteht aus einem Element:

Problemen.

Aus psychologischer Sicht musst du nichts anderes tun als ein Problem nach dem anderen zu lösen. Dein Gegner spielt hoch auf deine Rückhand? Mist, das Problem musst du lösen. Du stehst immer falsch zum Ball und wirst zu kurz? Blöd, das Problem musst du lösen.

Du hast die Buchsen voll, spielst jeden Schlag in Rückenlage und machst ab dem dritten Schlag im Ballwechsel den Fehler? Richtiger Mist, das Problem musst du lösen.

Jetzt kommt die Blutgrätsche von hinten:

Wie will man all diese Probleme lösen, wenn man emotional gerade auf einem Rodeobullen sitzt?

Wir schließen den Kreis:

Novak Djokovic spielt in vielen seiner Matches nicht schneller, klüger oder spektakulärer als sein Gegner. Er bewahrt die Ruhe und löst wie ein Roboter ein Problemchen nach dem anderen. 

Wie ein Geschäftsführer, der gelangweilt seine To-Do-Liste abhakt.

Im Finale der US Open gegen Daniil Medvedev ist genau diese Fähigkeit in der Kabine geblieben.

Er hatte sich selbst seiner größten Stärke beraubt.

Das bedeutet für dich:

Die Kontrolle deiner Emotionen ist ein wichtiger Faktor für deinen Erfolg. Durch mentales Training kann diese entwickelt werden.

Lesetipp: 5 mentale Übungen, die dein Tennis verbessern

Wir fassen zusammen

Du hast in diesem Artikel gelernt, wie Angst entsteht. 

Sie ist kein Mysterium, das dich während eines Matches überfällt wie ein Bankräuber. Sie entsteht vor deinen Spielen, wenn du dich, meist unbewusst, mental vorbereitest.

Ein gesundes Selbstvertrauen baust du durch kleine Schritte auf. Sammle kleine Erfolgserlebnisse. Sei fair zu dir und gib dir Zeit, um Selbstvertrauen aufzubauen. Der größte Fehler ist das sofortige Kopf in den Sandplatz stecken, wenn mal etwas nicht direkt klappt.

Hier brauchst du Geduld, Demut und Zeit.

Wir haben von Novak Djokovic gelernt, dass die Kontrolle der Emotionen eine Multiwaffe im Tennissport ist. Sie deckt zahlreiche Bereiche eines Matches ab und kann den klaren Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Spieler zeigen.

All diese Elemente:

1) Angst

2) Selbstvertrauen

3) Kontrolle der Emotionen

sind in deinem Charakter zu finden. 

Wer diesen (Tennis-) Charakter auch nur im Ansatz wie seine Grundschläge trainiert, der wird ein besserer Spieler in kürzerer Zeit.

Und bleibt beim Seitenwechsel 90 Sekunden sitzen, nimmt drei große Schlücke aus der Wasserflasche und steht dann mit einem klaren Plan für den nächsten Return von der Bank wieder auf.

Marco Kühn
Marco Kühn
Marco ist an der Grundlinie groß geworden und ehemaliger Jugendranglistenspieler. Heute hilft er mit seinem Blog Clubspielern besser Tennis zu spielen. Er schrieb bereits für tennisnet.com, tennisMAGAZIN, Tennis-Point und den Focus.

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