Wie du smarter spielst, indem du das Tempo-Konzept kennst

Marco Kühn
von Marco Kühn
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Ihre Bewegungen sehen aus, als wären sie in Zeitlupe.

Entspannt gleitet sie durch das Wasser. Erstaunlich ist dabei ihre Geschwindigkeit.

Die Meeresschildkröte kennt keine Hektik. Ihre Bewegungen sind smooth. Aus einer langsamen Bewegung heraus, kann sie enormes Tempo kreieren.

Was hat diese Meeresschildkröte mit deinem Tennis zu tun?

Gut, dass du fragst. Im Tennis wird "schnell" häufig mit "gut" oder "stark" verwechselt. Wir sehen einen Spieler auf dem Court, sehen wie er den Ball mit Karacho drei Millimeter über das Netz jagt und denken uns:

"Boah, was ein Spieler!".

Die Meeresschildkröte tippt uns aber auf die Schulter. Sie sagt: 

"Denk nochmal nach! Du siehst doch an mir, dass schnell nicht immer gut sein muss!".

In diesem Artikel besprechen wir, warum "schnell" nicht gleich "stark" ist.

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Ein fast vergessenes, taktisches Konzept

Es war ein heißer Sommer im Jahr 2001.

Ich war 17 Jahre jung, hatte mich von mehreren Knieoperationen erholt und begann, wieder anzugreifen. Voller Elan wollte ich jeden Ball so hart und flach wie möglich über das Netz spielen. Jeder Schlag sollte perfekt sein.

Das Problem?

Auch wenn ich technisch gut drauf war, unterliefen mir hanebüchene Fehler. Die Ballwechsel waren nie länger als drei, maximal vier Schläge. In der Rally wurde ich von Schlag zu Schlag hektischer.

Was führte zu dieser Hektik und diesen hanebüchenen Fehlern?

Ich wollte jeden Schlag noch schneller spielen. Wenn mein Spielpartner schnell spielte, wollte ich vom Tempo her noch einen drauf setzen.

Nach einer Partie kam Hans-Egon zu mir. Er war damals knapp 70 Jahre jung und hatte mehr Tenniserfahrung als jeder andere im Verein. Er stand am Spielfeldrand und analysierte durch seine große, graue Brille die Spieler auf den Plätzen.

Er klopfte mir auf die schmale Schulter und sagte:

"Marco, es ist immer schwieriger, einen langsamen Ball zu beschleunigen, als einen schnellen Ball noch schneller zu machen!".

Dieser Satz ist mir bis heute im Kopf. Lass uns weiter schauen, wie du mit diesem taktischen Konzept dein Tennisspiel verbessern kannst.

Was bedeutet "verbessern" in diesem Sinne?

  • Bessere Schlagentscheidungen treffen
  • Fehler schneller korrigieren
  • Taktik im Match anpassen

Lass uns schauen, wie wir das in dein Spiel implementieren können.

Warum sind langsame Bälle schwierig zu beschleunigen?

Wir haben einen großen Denkfehler.

Zuletzt sprach ich mit Marcel Hornung darüber. 

Langsame Bälle laden dazu ein, sich auch langsamer zu bewegen.

Was bedeutet "langsamer bewegen" in unserem Kontext?

Deine Körperspannung fällt ab. Du tänzelst nicht zwischen den Schlägen. Du stehst nicht auf den Zehenspitzen. Du bewegst dich nicht aktiv auf die Murmel zu.

Weil der Ball langsamer ist, sind auch deine Bewegungen langsamer. Das ist eine interessante These für die Gehirnforschung. Wahrscheinlich reagiert dein Gehirn auf die Wahrnehmung, dass der Ball langsamer durch die Luft fliegt.

Du kannst dich aber nicht auf dein Gehirn verlassen.

Wenn du dich langsamer zum Ball bewegst, dann geht dir dein Timing für den Schlag verloren. Du stehst wie eine durchgekochte Spaghettinudel zum Schlag. Du lässt den Ball zu tief fallen. Du gehst nicht in die Knie und auch dein Fokus auf den Ball ist nur halbherzig.

Wir erleben dieses Phänomen bei den vermeintlich leichten Vorhandschlägen aus dem T-Feld.

Dein Gegner spielt dir ein Ei mit 4,8 km/h aufs T. Du hast genug Zeit. Zu viel Zeit. Auf dem Weg zu diesem Ball überlegst du, wie du dieses Geschenk verwerten kannst.

In genau diesen Situationen passieren dir Fehler, über die du dich anschließend die nächsten fünf Punkte ärgerst.

Langsame Bälle sind schwieriger zu beschleunigen, weil du diese langsamen Bälle aggressiver spielen musst. Du sitzt im Pilotensessel. Du musst den Ball von Null auf beschleunigen.

Das wird schwierig, wenn du dich langsamer bewegst und nicht aktiv auf die Bälle zugehst.

Was kannst du bei langsamen Bällen machen?

Lass uns über Aggressivität sprechen.

Aggressivität bedeutet beim Tennis nicht nur, die Filzkugel mit 250 km/h über das Netz zu jagen. Aggressivität bedeutet auch:

Du gehst mit vollem Fokus auf den Ball zu. Mit kleinen Schritten, Selbstvertrauen und absoluter Entschlossenheit.

Das Zauberwort ist hier:

Entschlossenheit.

Das Gegenteil von Entschlossenheit ist Zögern. Wer zögert, der verliert beim Tennis. Lass uns kurz dein letztes Match gegen einen Mondball-Zombie analysieren.

Diese Spielertypen löffeln dir jeden Ball langsam und hoch auf deine Rückhand. Dich nervt das, du sagst dir Sachen wie:

"Das hat nichts mit Tennis zu tun!". 

Das stimmt, es hat nicht viel mit Tennis zu tun.

Aber was verrät dir der Mondballspieler über dich?

Genau, dass du bei seinen hohen Bällen zu zögerlich agierst. Du gehst nicht entschlossen auf die hohen Bälle zu. Du nimmst sie nicht im Aufsteigen, du triffst sie im Fallen.

Pack mehr Aggressivität in deine Schlagvorbereitung.

Wie kannst du das umsetzen?

1) Gehe aktiv auf den Ball zu, warte nicht auf ihn

2) Nutze dazu viele kleine Schritte, um dich Richtung Ball zu bewegen

3) Fokussiere den Ball mit deinen Augen. Lass ihn nicht aus deinem Visier.

Vor allem bei langsamen Bällen des Gegners musst du den Ball bewusster anschauen. Ein langsamer Ball verzeiht dir keine Unaufmerksamkeit.

Was kannst du bei schnellen Bällen machen?

Wir wissen jetzt, dass langsame Bälle schwieriger zu handlen sind, als die schnellen.

Was kannst du taktisch bei schnellen Bällen machen? Jupp, ich würde dir empfehlen, diese langsamer zurückzuspielen.

Lass uns tiefer ins Detail gehen.

Eine der für mich wichtigsten Fähigkeiten war früher die Kontrolle über schnelle Bälle. Tennis ist ein Gefühlssport. Du solltest zunächst Gefühl und Kontrolle über deine Schläge gewinnen, bevor du dich mit dem Tempo oder der Platzierung deiner Schläge beschäftigst.

Du musst ein Gefühl dafür entwickeln, ob dein Schlag ins Aus geht oder ins Netz. Im Idealfall spürst du das direkt, nachdem die Murmel deine Bespannung verlassen hat.

Mit diesem Gefühl auf der Plecke kannst du dann beginnen, schnelle Bälle des Gegners zu kontrollieren. Kontrollieren heißt in unserem Falle:

Du lernst, schnelle Bälle mit wenig Tempo, viel Topspin und starker Länge zu entschärfen. Du lernst, das Tempo aus dem Ballwechsel zu nehmen.

Was passiert dadurch mit der Dynamik des Ballwechsels?

Exakt, du gibst dem schnell spielenden Gegner einen langsamen Ball, den dieser dann selbst beschleunigen muss. Du kehrst das Tempo-Konzept um und gibst dem Gegner einen schwierigen Ball. In unserem Falle: Den langsameren Ball.

Denn:

Es ist immer schwieriger, einen langsamen Ball zu beschleunigen, als einen schnellen Ball noch schneller zu spielen.

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Aber was machst du, wenn dein Gegner deinen langsamen Ball ebenfalls langsam spielt?

Das kommt auf deine Spielweise an. Welcher Spielertyp bist du? Gehst du gerne drauf? Suchst du die Winner?

Oder lässt du den Gegner machen und agierst dann als Counterpuncher? Novak Djokovic ist vermutlich einer der besten Counterpuncher aller Zeiten.

Ein Counterpuncher nutzt das Tempo des gegnerischen Schlage aus. Er nimmt das Tempo mit und reagiert auf das, was ihm der Gegner spielerisch gibt.

Wenn du gerne auf die Punkte gehst, warte den richtigen, langsamen Ball ab. Du solltest im Feld stehen, wenn du in den Offensive-Modus schalten willst. Stehst du auf oder hinter der Grundlinie, erschwert dies deine Offensive. Es können für dich ärgerliche Fehler entstehen.

Stehst du aber im Feld, kannst du den richtigen Ball attackieren. Beachte dabei aber deine Entschlossenheit. Wir haben einige Zeilen weiter oben über diese gesprochen. Gehe die Absätze zur Entschlossenheit nochmal durch.

Bist du eher der abwartende Spielertyp?

Dann gilt für dich ebenfalls die Entschlossenheit. Gehe entschlossen auf den langsamen Ball zu. Entschlossen auf den langsamen Ball zuzugehen bedeutet nicht, dass du den Ball auch beschleunigen musst. Eine starke Körperspannung und Aggressivität in der Schlagvorbereitung ist auch wichtig, wenn du den Ball halbhoch und mit Spin spielen willst.

Fazit

Lass uns das Gelernte zusammenfassen:

  1. Schnell spielen ist nicht gleich "stark" spielen
  2. Langsame Bälle sind schwieriger zu beschleunigen als schnelle Bälle
  3. Schnelle Bälle lassen sich leichter schnell zurückzuspielen
  4. Gehe aktiv und entschlossen auf langsame Bälle "drauf"
  5. Entschlossen heißt nicht, dass du langsame Bälle auch beschleunigen musst
  6. Entschlossenheit brauchst du auch, wenn du den Ball halbhoch und mit viel Topspin, lang vor die Grundlinie spielen willst
Marco Kühn
Marco Kühn
Marco ist an der Grundlinie groß geworden, ehemaliger Jugendranglistenspieler und heute Tennis-Mentaltrainer für Hobby-Turnierspieler, Jugendspieler und Profispieler. Er publizierte Fachartikel für tennisnet.com, tennisMAGAZIN, Tennis-Point und den Focus.

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