Dein Puls steigt und du suchst deine mentale Stärke.
Schon wieder landet der Ball deines Gegners mit drei Ballhaaren an der Außenkante der Linie.
Schon wieder ist die Netzkante auf der Seite deines Gegners.
Du versuchst, deine Wut zu kontrollieren.
Du legst deine volle Konzentration auf deine Emotionen – und vergisst, wie es eigentlich im Aufschlagspiel steht.
Deine Aufmerksamkeit richtet sich fast ausschließlich auf die Kontrolle deiner Emotionen.
Fehlanzeige!
Deine Emotionen können dein Spiel blockieren.
Und die Blockaden löst du nicht, indem du vor deinen Emotionen davonläufst.
Sie werden dich einholen.
Und auf dem Weg dorthin lenken sie dich von deinen Fähigkeiten ab. Du musst intelligent mit deinen Emotionen auf dem Tennisplatz umgehen. Du wirst während einem Match von so vielen Emotionen geradezu durchgerüttelt, dass es aller höchste Zeit wird, richtig mit diesen Emotionen umzugehen.
Dein Tennis wird es dir danken.
Aber wie kriegst du das hin?
Die Basis für ein starkes Tennis sitzt im Kopf.
Konzentration, emotionale Ruhe und eine hohe Stressresilienz sind die entscheidenden Faktoren für eine großartige Performance beim Tennis.
All diese Faktoren finden wir in einer starken Mentalität.
Es gibt aber noch mehr.
Beim Tennis nutzt du deine Konzentrationsfähigkeit.
Du musst dich bei jedem einzelnen Schlag auf unterschiedliche körperliche, aber auch geistige Dinge fokussieren. Du willst gut zum Ball stehen, den Ball früh treffen und die Kugel sauber mittig auf deiner Bespannung treffen. All das setzt voraus, dass du ein hohes Maß an Konzentration besitzt.
In meinem Blogartikel mit Wolfgang Thiem sprach dieser über die Frustrationstoleranz. Du musst als Tennisspieler mit Ups und Downs umgehen können. Nach einer schnellen 3:0-Führung kannst du innerhalb von 30 Minuten plötzlich 3:6 und 0:2 hinten liegen.
Wie reagierst du dann?
Du merkst es schon. Tennis ist ein mentaler Sport, der dir geistig alles abverlangt.
Mentale Stärke im Tennis ist der kontrollierte Umgang mit den eigenen Emotionen. Wie in dieser Studie nachzulesen ist, stehen Resilienz und Stress beim Tennis auf einer Stufe.
Ein Tennismatch ist wie ein ständiger innerer Kampf.
Wer bei leichten Stresssymptomen seine innere Balance verliert, der wird es im Wahnsinn eines Tennismatches schwer haben.
Warum?
Eine fehlende Resilienz Stress gegenüber hat einen negativen Einfluss auf deine Konzentrationsfähigkeit. Stehst du unter Stress, stehst du schlechter zum Ball. Du triffst die Murmel nicht mehr sauber vor deinem Körper. Dein Timing beim Schlag wird schwächer.
All das hat nur eine Konsequenz:
Du spielst schlechter Tennis.
Das ist einer der vielen Gründe, warum Tennisspieler im Training viel besser als im Wettkampf performen. In dieser Studie wird gezeigt, wie die Angst im Wettkampf Einfluss auf die Leistung des Spielers nehmen kann. Fehlt die Resilienz Stress und Angst gegenüber, performt der Spieler im Wettkampf fast schon automatisch schwächer als im Training.
In meiner Philosophie des mentalen starken Tennis sind Training und Match zwei verschiedene Sportarten. Du kannst deine Leistungen aus dem Training nicht mit deinen Leistungen im Match vergleichen.
Das ist schlicht nicht fair, dir gegenüber.
Die mentale Vorbereitung auf ein Tennismatch ist die Akzeptanz, dass man nicht alles kontrollieren kann.
Seien wir mal ehrlich:
Du weißt weder, ob du gewinnen oder verlieren wirst, noch weißt du, wie das Match verlaufen wird.
Du hast beim Tennis nur ganz wenige Dinge, über die du zu 100 % die Kontrolle hast. Wenn wir es komplett herunterbrechen, dann hast du nur über eine einzige Sache die volle Kontrolle.
Das ist deine emotionale Reaktion auf all die Ups und Downs, die dich in einem Tennismatch von Natur aus erwarten. Du findest in meinem Blogartikel über die mentale Matchvorbereitung weitere Informationen.
Training und Match sind zwei verschiedene Sportarten.
Im Training spielt dir dein Trainer die Bälle zu. Selbst wenn er sie dir nicht direkt zuspielt, so kennst du ungefähr die Ecke, in die der Ball kommt.
Alles ist planbar. Du hast Sicherheit. Keinen Druck, jeden Ball gut spielen zu müssen.
Im Gegenteil. Du darfst Fehler machen und wirst von deinem Trainer korrigiert. Da ist es doch eigentlich logisch, dass du viel weniger Anspannung spürst, oder nicht?
Es gibt aber noch einen anderen wichtigen Faktor, warum du im Training nervlich cooler bist, als im Match.
Welcher das ist?
Ablenkungen.
Das können Zuschauer, dein Gegner, Teamkollegen deines Gegners oder deine eigenen Teamkollegen am Spielfeldrand sein. Bei einem Meden- oder Turniermatch hast du von Natur aus mit vielerlei Ablenkungen zu kämpfen.
Das Problem?
Du hast diese Ablenkungen zuvor nicht trainiert. Du kannst diese Form der Ablenkungen nur im Match trainieren. Diese Ablenkungen verändern die Dynamik des Matches komplett. Du denkst anders. Du fühlst anders.
Du spielst anders.
Kannst du dir verzeihen? Kannst du fair dir gegenüber sein?
Falls ja, dann hast du einen ersten großen Schritt Richtung emotionale Kontrolle im Match getan.
Schummler und andere Tennis-Zombies können dich triggern.
Das Ding ist:
Sie wollen dich triggern. Sie wollen, dass du dich ablenkst, die Nerven verlierst und dich über ihr Verhalten aufregst.
Die Frage ist:
Willst du den Schummlern und Zombies dieser Tenniswelt dieses Gefallen tun? Oder willst du diese Verhaltensweisen weglächeln, cool bleiben und dem Gegner diese Stärke rauben?
Ich habe vor zig Jahren ein Medenspiel verfolgt, bei dem ein Spieler klar der bessere Mann war. Er spielte Vorhand, Rückhand und Aufschlag besser. Sein Gegner war einen Tick fitter. Aber spielerisch lagen Welten zwischen den beiden.
Was tat der unterlegene Spieler?
Genau, er begann Bälle Aus zu geben, zu diskutieren und blöde Sprücke zu klopfen.
Der viel bessere Spieler ging voll drauf ein. Er begann mit seinem Gegner zu diskutieren. Er ließ sich völlig ablenken. In den Ballwechseln war das Match ein ganz anderes.
Der spielerisch bessere Mann ging auf jeden Ball drauf. Voller Zorn wollte er jeden Schlag in einen direkten Winner verwandeln. Die Fehlerquote stieg und der Schummler feuerte sich nach leichten Fehlern seines Gegners an.
Es entwickelte sich ein völlig anderes Match, dass der spielerisch klar schwächere Spieler im CT (Champions-Tiebreak) gewinnen konnte.
Der einzige Fehler, den der bessere Spieler machte?
Er ließ sich auf das Gedudel des Schummlers ein.
Daher mein Tipp für dich:
Lass deinen Gegner machen, was er will. Du hast keinen Einfluss auf sein Verhalten. Du hast nur Einfluss auf deine Reaktionen. Gehe nicht auf Diskussionen ein. Gib kurze Antworten und bleibe äußerlich cool.
Das wird deinen Gegner ärgern, versprochen.
Emotionen sind Energie.
So ein Schlägerrahmen bricht nicht einfach so.
Du musst schon eine Menge an Energie aufbringen, um den Schläger so hart auf den Boden oder gegen den Netzpfosten zu knallen, damit der Rahmen auch zuverlässig bricht.
Was zerstört den Rahmen? Richtig, deine Emotionen. Die aufgestaute Wut, respektive Energie, entlädt sich in einem fachmännischen Rahmenbruch. Fernab mentaler Stärke.
Du wirst dabei zum Sklaven deiner Emotionen. Deine Emotionen kontrollieren dich.
Deine Emotionen sind also Energie. Was solltest du mit Energie niemals tun? Versuche nicht diese aufzuhalten. So entstehen Blockaden. Lass die Emotionen stattdessen einfach laufen, ohne dich zu sehr von diesen beeinflussen zu lassen.
Um dies zu tun, stehen dir auf dem Tennisplatz mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
Ein gutes Beispiel für einen mental starken Spieler ist der junge Amerikaner Brandon Nakashima.
Emotionen während eines Tennismatches sind intensiv, komplex und wechselhaft.
Du erlebst ein Wechselbad der Gefühle: von Euphorie nach einem gelungenen Punkt bis zur Frustration bei einem Doppelfehler.
Studien zeigen, dass Emotionen direkt die Leistung beeinflussen. Laut einer Untersuchung der Journal of Sports Sciences (2019) wirken sich negative Emotionen wie Ärger oder Angst deutlich auf die Entscheidungsfähigkeit und die Koordination aus.
Der Körper spannt sich an, die Bewegungsfreiheit nimmt ab – Fehler häufen sich.
Positives emotionales Erleben kann hingegen ein Leistungsbooster sein.
Psychologen sprechen hier vom sogenannten „Broaden-and-Build“-Effekt:
Gute Laune erweitert den Aufmerksamkeitsfokus und stärkt kreative Problemlösungen.
Spieler, die zwischen Punkten bewusst positiv denken oder sich mit Routinen beruhigen, bleiben stabiler – das belegt eine Studie der Universität Leipzig (2021).
Und:
Selbstgespräche wie „Bleib ruhig“ oder „Du schaffst das“ sind messbar leistungsfördernd.
Mentale Stärke ist lernbar – und entscheidend.
In engen Matches entscheidet oft nicht das bessere Spiel, sondern der bessere Umgang mit Stress.
Neurowissenschaftliche Forschungen (z. B. von Sapolsky, 2020) zeigen, dass kontrollierte Atmung und Achtsamkeit die Amygdala-Aktivität dämpfen – das Zentrum für Angst im Gehirn.
Wer im Moment bleibt, statt sich über den letzten Fehler zu ärgern, hat die besten Karten. Emotionen sind keine Störung – sie sind der Schlüssel zum Spiel.
Wenn du vernünftig mit deinen Emotionen umgehst, kannst du lernen, wie du negative Emotionen umwandelst. Aus Wut wird beispielsweise Mut. Aus Verzweiflung wird eine „Jetzt-erst-recht“ Einstellung. Manchmal musst du bei dieser Umwandlung Umwege gehen.
Beispielsweise wenn du frustriert bist. Dann kommt zunächst der Frust. Diesen lässt du einfach zu. Daraus entsteht Wut. Und aus der Wut heraus entsteht Mut. Mut kann dich durch einige gelungene Schläge und Winner dann hin zum Selbstvertrauen führen. Diesen Prozess durchläuft Juan Martin del Potro des Öfteren, wenn er bei den US Open 0:2 Sätze zurückliegt, eine Vorhand aus dem Nichts über den Platz hämmert und dann das Match dreht.
Auch in diesem Beispiel greift die „alchemistische“ Formel:
Das widersprüchliche Beispiel hierzu ist das anhaltende Ärgern über den eigenen Frust oder die eigene Verzweiflung. Dann blockierst du deine Emotionen, lässt ihnen nicht den freien Lauf und nimmst dir selbst jegliche Möglichkeit aus diesem „Loch“ wieder herauszukommen. Meist werden diese negativen Emotionen durch eine Blockade noch intensiver. Dann geht nicht nur dein Puls vor lauter Wut in die Höhe; du bekommst noch Schweißausbrüche dazu. Du steigerst dich vollkommen in diese negative Emotion hinein und weißt dann teilweise wirklich nicht mehr wie es im Aufschlagspiel oder im Satz steht.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit, um mit deinen Emotionen umzugehen.
Versuche die Situation mit dem dritten Auge zu sehen. Werde zum Beobachter deiner Emotionen. Dies ist nicht ganz leicht, vor allem wenn du mitten im Matchplan bist und alles sehr schnell geht. Vielleicht fällt dir aber, je nach deinem Charakter, diese Möglichkeit leichter.
Stelle dir einen alten, weisen Mann vor, der dich auf dem Platz sieht. Wie würde dieser an deiner Stelle reagieren? Was würde er dir sagen? Wie würde er konkret in deiner Situation handeln?
Würde er beleidigt und voller Selbstmitleid über den Platz watscheln und sämtliche Punkte einfach abschenken, weil es gerade nicht läuft? Nein, dies würde ein weiser Mann wahrscheinlich nicht tun. Indem du dich in eine andere Person hineinversetzt, nimmst du automatisch Abstand zu deinen Emotionen. Du löst auf diese Weise erneut die Blockade, die dich durch deine Emotionen hemmt.
In den Phasen, in denen du auf dem Platz überhaupt nicht mehr weißt was du tun sollst, hilft es fast immer sich vorzustellen, was jemand anderes an deiner Stelle tun würde.
Dies ist ein kleiner aber simpler Trick, um dich psychologisch wieder in die Bahn zu bringen.
Es ist verdammt nicht leicht die eigenen Emotionen zu kontrollieren und diesen gegenüber intelligent aufzutreten. Es ist aber möglich. Das Gute ist, dass du schon kleine Verbesserungen sofort bemerken wirst. Lass dich nicht entmutigen, wenn du mal wieder die Fassung verlierst und einige Punkte und Spiele einfach so vor dir weglaufen.
Das ist normal und passiert jedem.
Setze die in diesem Artikel besprochenen Methoden regelmäßig auf dem Platz um. Nicht nur in wichtigen Matches, sondern auch in deinen Trainingsmatches. Du wirst Stück für Stück merken, wie dich Kleinigkeiten nicht mehr so sehr von deinem eigentlichen Matchplan abhalten.
Mentale Stärke zu trainieren und zu entwickeln ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn du schnelle Erfolge erwartest, dann muss ich dich bereits jetzt enttäuschen.
Wenn du ein Bild malen willst, dann bist du nach ein paar Pinselstrichen auch noch kein Picasso. Ähnlich verhält es sich, wenn du mentale Stärke in dein Tennis integrieren willst. Leichte Fehler, vor allem mit der Vorhand aus dem Halbfeld, werden dich auch nach dem lesen dieses Artikels noch aufregen.
Aber du weißt jetzt, wie du mit diesen Emotionen umgehen kannst. Die Kunst ist es das erworbene Wissen um mentale Stärke jetzt auf dem Platz, in den hektischen Situationen, umzusetzen.
Ich bin mir sehr sicher, dass du diese Umsetzung schaffen wirst, wenn du einen langen Atem hast und von dir selbst keinerlei Wunder erwartest.
1. Warum verliere ich im Match schneller die Nerven als im Training?
Im Match steht mehr auf dem Spiel: Bewertung, Sieg oder Niederlage, Zuschauer, Erwartungen.
Diese Faktoren erzeugen bei dir mentalen Druck, der im Training oft fehlt. Wichtig ist: Nervosität ist normal – sogar ein Zeichen, dass dir das Match wichtig ist.
Ziel ist nicht, Nervosität zu vermeiden, sondern gut mit ihr umzugehen.
2. Wie kann ich mit Frustration nach Fehlern oder Rückständen umgehen?
Erkenne Frustration als automatische Reaktion – und dann unterbrich sie bewusst.
Hilfreiche Strategien:
3. Wie bleibe ich ruhig, wenn mein Gegner mich aus dem Konzept bringt?
Konzentriere dich auf das, was du beeinflussen kannst – also dein Spiel, nicht sein Verhalten.
Hilfreich:
Ignoriere Provokationen bewusst.
Verwandle Ärger in Energie: „Jetzt erst recht!“
Sage dir innerlich: „Ich spiele gegen den Ball, nicht gegen die Person.“
4. Wie verhindere ich, dass ein schlechter Ballwechsel das ganze Match kippt?
Akzeptiere: Fehler gehören zum Spiel. Statt dich zu ärgern:
5. Was hilft in besonders wichtigen Momenten (Breakball, Matchball, Tiebreak)?
Statt dich auf den Ausgang zu fixieren, bleibe im Prozess:
6. Sollte ich Emotionen lieber zeigen oder unterdrücken?
Weder unterdrücken noch ausleben ist ideal. Ziel ist, sie bewusst zu steuern:
Trainiere ein neutrales Pokerface, auch wenn es innerlich brodelt – das signalisiert mentale Stärke.
7. Was hilft mir, nach einem Satzverlust oder mentalem Einbruch wieder reinzukommen?
Nutze den Satzwechsel zur mentalen Neuausrichtung:
Frage dich: Was brauche ich jetzt, um wieder ins Spiel zu finden?
8. Wie kann ich emotionale Kontrolle trainieren?
Emotionales Training ist genauso wichtig wie Technik oder Taktik. Du kannst:
9. Wie unterscheidet sich ein mental starker Spieler von einem mental schwachen Tennisspieler?
Mentale Stärke heißt nicht, nie nervös zu sein – sondern:
Quellen:
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10799558/
https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2023.1287316/full
3 Kommentare
Hierfür braucht es einen erfahrenen Trainer,der das unterscheiden kann.Ist das ein Kind ,was einen ungeheuren Druck aufbaut,dem man hilft ,indem es mal richtig Dampf ablassen darf,oder ist das ein Kind ,das jeden Anlass nutzt um sich darzustellen bzw.eine Hilfe braucht sich zu verhalten,wenn es einen Fehler macht oder gar verliert.
sehr gute Ergänzung zum Artikel. Danke dir!
Marco
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