Die mentale Vorbereitung wird beim Tennis noch unterschätzt.
Du trainierst deine Vorhand, deine Rückhand, manchmal deine Beinarbeit und deinen Aufschlag. Es gibt Trainingseinheiten, die du mit dem geschickten Einsetzen der Vorhand Inside-Out ausfüllst. Hin und wieder verirrst du dich sogar ans Netz und versuchst einen Volley á la Stefan Edberg ins hinterste Eck des Gegners zu drücken.
Aber wo, wann und wie trainierst du deinen Kopf?
Dein Trainer wird dich technisch herausragend ausbilden.
Du wirst bei deiner Vorhand eine tolle Schleife in deiner Ausholbewegung haben und deinen Körperschwerpunkt nach unten verlagern, sobald du am Ball stehst. Solltest du eine beidhändige Rückhand in deinem Schlagrepertoire haben, bist du in deinem Verein eventuell für deine gefürchtete Rückhand-Longline bekannt.
Meine Erfahrung im Mentalcoaching zeigt aber, dass all diese tollen Facetten deines Spiels in einem wichtigen Punktspiel verblassen.
Du kannst das, was im Training noch locker und leicht von der Schlägerfläche geht, im Match nicht umsetzen.
Liegt das an deiner Technik? An deiner Taktik?
Oder ist vielleicht deine mentale Vorbereitung ein Faktor, der dich noch von besseren Ergebnissen auf dem Tennisplatz abhält? Viele Tennisspieler besitzen kein Know-How über mentales Training, das richtige Einsetzen der Konzentration oder eben die so wichtige Vorbereitung im Kopf. Eine mentale Vorbereitung kann dir also noch vor dem ersten gespielten Punkt einen Vorteil auf die Bespannung zaubern.
Klingt gut? Dann lies jetzt bitte aufmerksam weiter.
Bevor wir dich mental auf dein nächstes Match vorbereiten, müssen wir zunächst eine wichtige Sache klären.
Der Begriff Mentalität wird wie folgt definiert:
Mens, lateinisch - den Geist betreffend.
Die Mentalität ist das fest verankerte und größtenteils unbewusste Denk- und Verhaltensmuster einer Person. Die in unserer Gesellschaft derzeit wohl weit angesagteste Mentalität ist, dass man nur mit einer ganz bestimmten Anzahl von Instagram-Followern etwas wert ist. Dass diese Mentalität weder gesund, noch realistisch ist, solltest du als Leser meines Blogs ohne die Saite zu richten verstehen.
Die 'Likes' können die anderen haben. Wir wollen unser Potential entdecken und andere Menschen durch unsere Leistungen inspirieren.
Ich möchte mit dir deine mentale Vorbereitung in zwei Schritte gliedern, die direkt auf der oben kurz beschriebenen Definition aufbauen:
Dein Kopf ist voller Gedanken, die wie eine Feder in einem Tornado wild umher fliegen. Es fällt dir im Match teilweise unglaublich schwer überhaupt nur einen klaren Gedanken zu fassen. Du vergisst, wie es im Aufschlagspiel steht. Deine Ausholbewegung ist nicht mehr präsent und deinen Matchplan hast du schon vor zwölf Minuten vergessen.
Keine Panik, lieber Tennisfreund: Das ist normal.
Sogar Rafael Nadal vergisst ab und an sich nochmal durch das Gesicht zu wischen, bevor er aufschlägt.
Deine Leistungen aus deinem Training werden sich nicht mit deinen Leistungen im Match decken. Dieses Problem befindet sich ausschließlich in deinem Kopf. Was bedeutet das für dich? Die Lösung dieses Problems befindet sich ebenfalls dort - in deinem Kopf.
Diese Methode sorgt bei Esoterikern regelmäßig für ungeahnte Gefühlsausbrüche. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie viele e-Mails ich schon deswegen erhalten habe.
"Nein! Du darfst nie etwas negatives denken. Wenn du negatives denkst, dann ziehst du negatives an!"
Ein kurzer Slice auf`s T, um das Tempo zu ändern:
Hätte Roger Federer sich vor knapp vier Jahren ausschließlich auf seine Stärken konzentriert, dann hätte er kein einziges Turnier mehr gewonnen. Er hatte von der Grundlinie keine Chance mehr gegen ganz bestimmte Spielertypen. Stattdessen hat er seine Schwächen akzeptiert, diese in seinen Charakter auf dem Platz integriert und seine gesamte Spielidee um das aggressive Netzspiel erweitert. Die Ergebnisse sprechen für sich.
Ich wäre nicht fair zu dir, wenn ich dir von Methoden berichten würde, die nur in der Theorie schön klingen. Ich weiß aus meiner Erfahrung als Mentalcoach, dass das 'Worst-Case-Szenario' dir in deiner mentalen Vorbereitung hilft. Du kannst deine Emotionen im Match besser kontrollieren. Du verlierst den Faden nicht mehr so schnell und deine Konzentration kann besser eingesetzt werden.
Esoterik, adé!
Wir nehmen den Spieler Ludwig. Ludwig ist 47 Jahre jung, hat sich in den letzten drei Jahren auf LK 18 gekämpft und kann aus der Sicht eines Mentalcoaches wie folgt beschrieben werden:
Ludwig tut das, was zahllose Tennisspieler bei der mentalen Vorbereitung falsch machen. Er vergleicht seine Leistungen aus dem Training mit seinen Leistungen im Match. Dementsprechend erwartet er auf der Fahrt zu einem Punktspiel von sich selbst, dass er im Match seine Vorhand so locker durchschwingen wird wie noch vor zwei Tagen im Training.
Auf dem Platz kollidiert dieses Denkmuster dann frontal und ungebremst mit der Realität im Match. Warum dem so ist werde ich in einem zukünftigen Beitrag genauer unter die Bespannung nehmen.
Wir werden Ludwig jetzt mental ideal auf sein nächstes Match vorbereiten.
Das typische Denkmuster von Ludwig spult sich in seinem Kopf wie folgt ab:
"Wenn ich es schaffe so konzentriert und konstant wie im letzten Training zu spielen, dann werde ich ein gutes Match spielen. Dann habe ich gute Chancen auf den Sieg!"
Dieser Stopp geht knapp seitlich ins Aus. Der Fehler liegt erneut in diesem unfairen und komplett unrealistischen Vergleich.
Merke: Du knallst dir den Schlägerrahmen selbst vor dein Schienbein, wenn du deine Trainingsleistungen mit deiner Performance im Match vergleichst.
Fatal ist, dass Ludwig mit diesem Denkmuster, mit dieser Mentalität, den Court betritt. Es ist nicht verwunderlich, dass er aufgrund der harschen Realität, die im Match anders aussehen wird, schnell seine Nerven verliert. Emotionen gehen immer dann durch die Netzkante, wenn deine Erwartungen mit der Realität auf Konfrontationskurs gehen. Sobald deine Emotionen die Entscheidungen auf dem Platz übernehmen gibst du die Kontrolle über dein Tennis ab. Du benötigst rationales Denken, um die Filzkugel manchmal einfach nur ins Feld zu schubsen, anstatt den genialen kurz-cross Winner spielen zu wollen.
Du wirst später den exakten Plan für eine mentale Vorbereitung finden.
Wie kann sich Ludwig besser mental auf sein Match vorbereiten? Er nutzt das 'Worst-Case-Szenario', dreht das falsche Denkmuster auf links und betritt mit einer entscheidend realistischeren Mentalität den Court. Er ist im Kopf darauf vorbereitet, dass das Match dynmaisch verlaufen wird. Es wird Phasen geben, die der Gegner dominieren wird. Auf der anderen Seite wird es Momente geben, in denen Ludwig dem Match seinen Stempel aufdrücken wird.
Das 'Worst-Case-Szenario' von Ludwig könnte wie folgt aussehen:
"Wenn meine starke Vorhand nicht so wie im Training kommt und sich ein paar Fehler einschleichen, dann bleibe ich ruhig und lasse mich davon nicht aus der Fassung bringen. Ich analysiere nach einer verschlagenen Vorhand kurz, was schief lief. Es kann passieren, dass ich die Schlägerfläche zu früh öffne oder ich den Ball zu tief fallen lasse. Dies werde ich dann im nächsten Ballwechsel korrigieren. Auf geht`s!"
Spürst du diese Souveränität und Ruhe?
Deine Gemütslage ist vollkommen anders. Deine Emotion ist ein Kompass für deine Leistung. Es gehört zu deinen mentalen Aufgaben in einem Match deine Emotionen zu kontrollieren. Das 'Worst-Case-Szenario' bietet dir eine simpel umzusetzende Methode an, um auch in schlechten Phasen eines Matches cool zu bleiben. Dein Schläger darf ruhig mal durch die Luft fliegen.
Das eine oder andere Schimpfwort darf über deine Lippen rutschen. Deine Gemütslage sollte aber stets von dir kontrolliert werden, damit du für den nächsten Ballwechsel eine klare Strategie entwickeln kannst.
Diese Strategie führt uns direkt zum zweiten Schritt für deine mentale Vorbereitung.
Viele Spieler berichten über Hilflosigkeit im Laufe eines Matches.
Diese entsteht, wenn du auf dem Court ausschließlich in einer Position der Reaktion bist. Du kannst selbstverständlich ein Defensivkünstler sein, der das Tempo seiner Gegner nutzt, um selbst Druck auszuüben. Wir sind aber gerade im mentalen Bereich unterwegs und dort ist es für dich wichtig, dass du im Kopf immer im lösungsorientierten Teil deiner Mentalität unterwegs bist. Dieser Teil sorgt dafür, dass du dein Verhalten auf dem Platz aktiv steuerst.
Diese Steuerung wirkt der Hilflosigkeit entgegen.
Der Spieler in unserem Beispiel, der Ludwig, kann sich dabei seiner Stärke bedienen. Diese Stärke haben wir in seiner Vorhand entdeckt. Er kann somit deine Vorhand für seine Aktion nutzen.
Anstatt sich darüber aufzuregen, dass keine Vorhand ihr Ziel findet (Reaktion), kann Ludwig die Vorhand höher über das Netz spielen, seinem Schlag weniger Tempo mitgeben, mehr mit Spin arbeiten, etwas tiefer in die Knie gehen oder den Ball genauer anschauen.
Wie du siehst hast du viele lösungsorientierte Möglichkeiten. Viele Spieler verhaspeln sich aber immer wieder in ihren Problemen. Sie denken dabei aber nie an mögliche Lösungen für ihre Probleme auf dem Platz.
Das nur als kleiner Hinweis, wenn du deinen Gegner auf der anderen Seite des Netzes mal wieder beim lamentieren siehst. Er wird in diesen Situationen ausschließlich über seine Probleme nachdenken. Spiel ihm dann weiterhin hoch auf die Rückhand. Er wird es vermutlich nicht merken.
Wir kommen zurück zu Ludwig uns legen jetzt den Plan für die mentale Vorbereitung auf sein nächstes Match fest. Dabei passen wir den mentalen Teil an seine individuelle Spiel- sowie Verhaltensweise an. Das ist wichtig für dich. Dein Charakter kommt immer mit auf den Platz und trifft die meisten deiner Entscheidungen. Behalte das im Hinterkopf.
Die mentale Vorbereitung kann für Ludwig wie folgt aussehen:
1) Erstellen des 'Worst-Case-Szenario': Die Vorhand kommt nicht. Sollte dies eintreffen bleibt er ruhig, da er darauf vorbereitet ist
2) Visualisierung des 'Worst-Case-Szenario': Ludwig stellt sich detailliert vor, wie er zunächst eine einfache Vorhand verschlägt. Ebenso detailliert geht in gedanklich durch, wie er im nächsten Ballwechsel eine korrigierte, ideale Vorhand schlägt
3) Anker: Die eigene Gemütslage. Ludwig benötigt auf dem Platz Ruhe, weil er dazu neigt schnell den Faden und die eigene Fassung zu verlieren. Als Ankerpunkt dient die konstante Analyse und Kontrolle der eigenen Gemütslage. Diese dient als Basis, um seinem Charakter entsprechend die bestmögliche Leistung im Match abliefern zu können
Halte dein mentale Vorbereitung simpel.
Du wirst schon die Erfahrung gemacht haben, dass es sich mit weniger Gedanken im Kopf besser spielen lässt. Du schwingst lockerer durch, hast ein besseres Gefühl auf dem Schläger und wirst nicht zu hektisch in deinen Bewegungen.
Und, tu uns beiden einen großen Gefallen: Vergleiche deine Leistungen aus dem Training niemals mit deinen Leistungen im Match.
2 Kommentare
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vielen Dank für dein Feedback 🎾
Beste Grüße
Marco
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