Seitenwechsel im Tennis: Wie du die Pause taktisch und mental zu deinem Vorteil nutzt

Marco Kühn
von Marco Kühn
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90 Sekunden. Alle zwei Spiele.

Nach einem Satz hast du noch mehr Zeit. Auf Matchdauer gerechnet ist dies viel Zeit. 

15 bis 20 Minuten. 

Nutzt du die Seitenwechsel

Oder lässt du sie links liegen?

Ein Tennismatch gewinnt nicht immer der bessere Spieler. Keineswegs. Ein Spieler mit eindeutig schlechteren Grundschlägen kann einen weitaus talentierteren Gegner besiegen.

Weil er schlauer ist.

Und diese regelmäßig zur Verfügung stehenden 90 Sekunden nutzt. Er nutzt sie besser als der talentiertere Spieler auf der anderen Seite des Netzes.

Die schockierende Wahrheit über den Seitenwechsel ist, dass diese Pause zwischen den Spielen vollkommen falsch aufgefasst wird. Sie wird als „Erholungspause“ wahrgenommen. Als Bruch im Spiel, um sich auszuruhen, sich zu regenerieren, sich neu zu sammeln.

Das ist soweit auch vollkommen richtig. Nur gilt diese Erholung und diese Pause für den Körper. Es ist nicht verboten, während dem Seitenwechsel seinen Kopf zu nutzen.

Wie das zu deinem Vorteil funktionieren kann, besprechen wir jetzt.

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Die häufigsten Fehler beim Seitenwechsel

Beim Seitenwechsel passieren oft kleine, aber teure Fehler

Viele sitzen einfach nur da. Trinken, Schläger richten, leerer Blick – aber ohne Fokus. 

Andere reden sich klein: „Ich krieg nix hin heute.“ Das zieht runter. 

Manche greifen sogar zum Handy oder quatschen mit Zuschauern. Dabei verstreicht die Zeit – ohne taktische oder mentale Vorbereitung auf die nächsten Aufschlagspiele. 

Der größte Fehler: nichts mit dem Seitenwechsel anfangen. Keine Taktik. Kein Plan. Kein Ziel. 

Wer so wechselt, bleibt im alten Trott. Wer’s besser macht, holt sich einen echten Vorteil.

Hier eine Fehler-Checkliste:

  • Ich sitze nur da, ohne nachzudenken
  • Ich trinke mechanisch, aber fokussiere mich nicht neu
  • Ich fluche innerlich oder rede mich selbst schlecht
  • Ich schaue aufs Handy oder verliere mich in Nebensachen
  • Ich lasse mich von Zuschauern oder Gegnern ablenken
  • Ich analysiere das Spiel nicht – weder mein eigenes noch das des Gegners
  • Ich mache keinen Plan für das nächste Spiel
  • Ich ignoriere äußere Bedingungen (Sonne, Wind, Untergrund)

Erlebst du es selbst auch auf deiner heimischen Tennisanlage? Sehr gern wird der Seitenwechsel für folgende Aktionen genutzt:

  • Aufregen über den Gegner
  • Aufregen über vergangene und verpasste Chancen
  • Aufregen über eigene Fehler
  • Aufregen über äußere Umstände
  • Aufregen über sich selbst

Was schätzt du: welche dieser Aktionen bringt dich für dein Spiel, für dein gerade laufendes Match weiter? Welche dieser Aktionen bringt deinen Fokus und deine Konzentration in die richtige Bahn?

Genau: keine!

Der Seitenwechsel kann dir Vorteile verschaffen. 

Du hast während dieser 90 Sekunden immer wieder und wieder die einmalige Chance dich neu im Match zu orientieren. Du kannst deine Fehler analysieren, deine Taktik durchgehen und dir Pläne machen wie du deinen Gegner am besten in den Griff bekommst und schlussendlich besiegen kannst.

Der Seitenwechsel gibt dir jedes mal auf`s neue die Chance, dein komplettes Mindset für dein Match und dein Spiel zu überdenken. Anstatt dich mit negativen, unproduktiven Gedanken rumzuplagen und weiter selbst hinunter zu ziehen, kannst du ausschließlich positive und produktive Gedankengänge und Gespräche mit dir selbst führen.

Oft bist du selbst der Einzige, der dir etwas positives sagt.

Wie du den Seitenwechsel zu deinem Vorteil nutzt

Dein Körper darf sich gerne erholen während dem Seitenwechsel. Deswegen solltest du ausreichend Wasser dabei haben. Sowie den einen oder anderen Snack.

Dein Geist und dein Kopf sollten in entspannter Körperhaltung während dem Seitenwechsel akribisch arbeiten. 

Nicht hektisch auf Hochtouren. Sondern effizient und zielgerichtet.

Neben positiven und aufmunternden Gesprächen mit dir selbst solltest du dein Hauptaugenmerk auf Fragen legen. Abläufe, vergangene Spielsituationen und Punkte zu hinterfragen kann dich davor schützen bestimmte Fehler wieder und wieder zu begehen.

Diese Fragen solltest du dir während der Seitenwechsel stellen und beantworten:

„Welche große Stärken hat mein Gegner und wie kann ich diese vermeiden?“

„Wie kann ich meinem Gegner mit meinen Stärken weh tun?“

„Was habe ich bisher taktisch falsch gemacht?“

„Habe ich mehrere Schwächen bei meinem Gegner entdecken können? Welche sind dies?“

„Wie reagiert mein Gegner auf verschiedene Schläge wie den Slice oder einen hohen Ball mit Topspin?“

„Wo fühlt sich mein Gegner auf dem Platz am wohlsten? Wie bekomme ich ihn aus dieser Komfortzone?“

Du musst dir antrainieren produktive und positive Gedanken während der Seitenwechsel zu hegen. 

Negativität zieht dich runter. 

Sie bremst dich und schiebt dich von deinem Ziel, dem Sieg, immer weiter weg. 

Bis du es irgendwann, eben aufgrund deiner negativen Gedanken, aus eigener Kraft überhaupt nicht mehr erreichen kannst.

Mentale Techniken beim Seitenwechsel

Der Seitenwechsel ist deine mentale Tankstelle. 

Kein Platz für Kopfchaos, kein Raum für Drama. Jetzt heißt es: Reset drücken. 

Atme tief durch. Zwei-, dreimal bewusst. Das senkt den Puls und schärft deinen Fokus. 

Stell dir vor, du wischt den Spielverlauf wie eine Tafel sauber. 

Fehler? Weg. Frust? Kurz geparkt. Denk wie ein Coach: 

„Was brauche ich jetzt? Was kann ich kontrollieren?“ 

Eine einfache Mini-Routine hilft. Immer gleiche Abläufe – zum Beispiel Flasche rechts, Handtuch links, Blick auf deine Schlägerfläche. Rafa Nadal ist mit solchen Ritualen eine Legende unseres oft geliebten, oft gehassten Sports geworden. 

Auch gut: ein stiller Satz, der dich stärkt. „Ich bleibe ruhig.“ Oder: „Mein nächster Punkt.“ Kein Shakespeare, aber wirksam. Denn wenn du beim Seitenwechsel Ruhe findest, nimmst du diese mit auf den Court. 

Und mal ehrlich – besser mentale Stärke als mentaler Urlaub.

Mentale Checkliste für den Seitenwechsel

  • Tief durchatmen (mind. 2–3 Mal – nein, Gähnen zählt nicht)
  • Den letzten Punkt loslassen – egal ob Ass oder Doppelfehler
  • Fokus-Satz sagen: „Ich bleibe ruhig.“ / „Nächster Punkt.“ / „Spielplan vor Ego.“
  • Mini-Routine durchführen (z. B. Flasche, Handtuch, Blick auf Schläger)
  • Gedanken sortieren: Was läuft? Was kann ich sofort ändern?
  • Nicht über das Publikum, das Wetter oder das Netz nachdenken
  • Haltung checken: Aufrecht sitzen, Blick nach vorn – kein Grübelknäuel
  • Kein Blick aufs Handy – dein Kopf braucht dich jetzt

Physische Erholung & Vorbereitung

Beim Seitenwechsel geht’s nicht nur um deinen Kopf.

Dein Körper will auch was. 

Was das ist?

Trinken ist Pflicht, nicht Kür. Aber nicht in hektischen Schlucken wie ein Kaktus nach dem Regen. Ruhig, gezielt, lieber regelmäßig als zu hektisch. Eine Banane ist dein Freund, kein Accessoire. Sie gibt schnelle Energie – und sieht auf der Bank besser aus als ein Schokoriegel.

Nutze die Pause, um deinen Körper zu scannen: Verkrampft? Locker? Einmal die Schultern kreisen, Nacken lösen – kleine Bewegungen können eine große Wirkung haben. 

Und während du das machst, kannst du gleichzeitig visualisieren: 

Wo soll dein nächster Aufschlag landen? Wie willst du in den nächsten Return reingehen? Wo willst du stehen? Wie willst du nach deinem Aufschlag oder Return weiterspielen?

Der Trick ist, dich vorzubereiten, ohne dich zu verkrampfen. 

Denk an Formel-1-Fahrer: Die sitzen auch nicht einfach nur rum in der Box. Die stimmen sich ab – auf sich selbst. Und genau das machst du jetzt auch. Körper und Geist wieder synchronisieren. 

Dann geht’s zurück auf den Platz.

Mit einem Matchplan und frischen Beinen.

Körper-Check beim Seitenwechsel

  • Schluck trinken (langsam – kein Wasser-Wetttrinken-Contest)
  • Etwas Kleines essen, z. B. Banane oder Energie-Gel
  • Kurz durchatmen und Körperspannung checken
  • Nacken, Schultern oder Arme locker machen
  • Beine ausschütteln oder leicht dehnen
  • Nicht einfach nur rumsitzen – aktiv erholen
  • Visualisieren: nächster Aufschlag, nächster Return
  • Kein unnötiger Stress: Beweg dich wie jemand, der weiß, was er tut

Nimm ab sofort den Seitenwechsel ernst. 

Sieh diesen als Chance an, dein Spiel für das Match immer weiter zu verbessern. 

Sei klug während du auf der Bank sitzt. Lass dich nicht ablenken. Sei dir jederzeit bewusst, wie wichtig diese wiederkehrenden 90 Sekunden für dich sind. 

Diese 90 Sekunden können der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Tennisspieler sein.

Marco Kühn
Marco Kühn
Marco ist an der Grundlinie groß geworden, ehemaliger Jugendranglistenspieler und heute Tennis-Mentaltrainer für das verzwickte Spiel "zwischen den Ohren", wie Boris Becker so schön sagte. Er schrieb bereits für tennisnet.com, tennisMAGAZIN, Tennis-Point und den Focus.

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