Angst und Nervosität beim Tennis: Warum dein Zitterarm perfekt für dich ist

Marco Kühn
von Marco Kühn

Du erinnerst dich vermutlich sofort daran, als du das letzte Mal voller Nervosität deinen zweiten Aufschlag gespielt hast.

Schlimm, oder?

Wenn du an der Grundlinie stehst, du deinen viel zu schnellen Puls fühlst und diesen schei$$ Aufschlag einfach nur irgendwie hinter dich bringen willst.

Lass uns zunächst schauen, bevor wir uns um Nervosität und den Zitterarm kümmern:

Was sind Angst und Nervosität beim Tennis eigentlich?

Angst ist die detaillierte Vorstellung von negativen, zukünftigen Ereignissen, die schwere körperliche Symptome hervorrufen, aber fast nie zur Realität werden.

Welches Symptom spürst du fast in jedem deiner Medenspiele?

Exakt:

Nervosität.

Nervosität ist beim Tennis eine komplizierte Geschichte. Du wirst keinen einzigen Tennisspieler auf diesem (und vermutlich auch auf anderen) Planeten finden, der vor einem großen Match nicht mit Nervosität zu kämpfen hat.

Hier ein paar Beispiele, um dir ein bisschen Druck von deinen durchtrainierten Schultern zu nehmen:

Nervosität? Roger Federer war in Wimbledon schlaflos

In einem Interview, lange nach dem Match, verriet Roger Federer seine Schlafhygiene vor seinem ersten Finale in Wimbledon.

Diese ging wie folgt:

Er schlief gar nicht. Keine Sekunde.

Ich glaube ja, dass er zumindest ein bisschen in diesem halbwachen Zustand verbracht hat. Aber klar, er wird "gefühlt" nicht geschlafen haben. Das hatte der größte Tennisspieler aller Zeiten natürlich nicht getan, weil dies zu seiner Matchvorbereitung gehörte.

Nein, lieber Tenniscrack.

Roger war vor diesem großen Match so nervös, so voller Angst, dass er kein Auge zu machte.

Was heißt das für dich?

Bleib cool und lächle, wenn du demnächst wieder schlaflos vor einem Medenspiel im Bett liegst und dich nur von links nach rechts wälzt.

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Wie Stan Wawrinka Nervosität in Mut verwandelte

Ein weiteres Beispiel:

Vor dem US Open Finale 2016 zwischen Stan Wawrinka und Novak Djokovic hatte Wawrinka beim Betreten des Platzes Angst- und Panikattacken.

Darüber berichtete er selbst. Du findest dazu hier einen Artikel.

Im Verlauf des ersten Satzes hatte Stan the Man mehr mit seiner Angst und Nervosität zu kämpfen, als mit dem Gegner. Er war froh, dass er überhaupt mitspielen konnte.

Doch im weiteren Verlauf des Matches wich dieser Angst einem wahren Mut. Wawrinka entwickelte das, was jeder Tennisspieler jagt: Ein Spiel im Tunnel, in welchem man jeden Ball perfekt trifft - ohne nachzudenken.

Du siehst also:

Selbst Grand-Slam-Champions haben mit ihren Ängsten, Nervosität und dem berühmten Zitterarm zu kämpfen.

Leicht verständlich & anwendbar:

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Ist deine Nervosität beim Tennis schlimm?

Du wirst auf dem Tennisplatz ständig mit Angst konfrontiert.

Vor einem wichtigen Match. Vor dem Matchball. Vor dem zweiten Aufschlag. Oder beim Seitenwechsel.

Die Angst prasselt in wahnwitziger Geschwindigkeit auf dich ein – und meist bekommst du es gar nicht mit. Die Angst äußert sich dann in einem schweren Arm oder starken Zögern bei der Vorhand. Auch ein erhöhter Puls und Krämpfe in der Magengegend sind Indizien dafür, dass du Angst hast.

Aber:

Angst wird häufig falsch assoziiert.

Nicht nur ein Horrorfilm kann Angst erzeugen. Auch Unwissenheit und eine falsche Vorstellung der Zukunft. Seine eigenen Vorstellungen gründen aus den vergangenen Erfahrungen. 

Wenn du sechsmal nacheinander gegen einen Spieler verlierst, der den Ball immer nur hoch zurückspielt, wirst du beim siebten Match natürlich sofort Angst bekommen, sobald du feststellst, dass du erneut an einen solchen Spielertyp geraten bist.

Angst ist nicht das Erschrecken aufgrund einer unvorhergesehenen Situation. Sondern die Vorstellung, dass etwas Schlechtes für dich passieren könnte. 

Du handelst dann automatisch ängstlicher und aus einer unwirklichen Realität heraus.

Keine Nervosität beim Medenspiel

Unweigerlich ist Angst also ein detailliertes, negatives Bild vor deinen Augen, welches dich in deinen Bewegungen und damit in deinem Handeln stark beeinflusst und schwächt. 

Angst kann in einem fortgeschrittenem Stadium sogar deine Grundeinstellung werden, mit der du auf den Platz gehst und spielst. Es gibt keine schlechtere Ausgangslage für ein Match als Angst.

Du musst lernen, so wenig Angst wie möglich mit auf den Platz zu bringen. Dies bedeutet, dass du positive Bilder in deinen Gedanken zeichnen musst.

Wenn du Angst vor deinem zweiten Aufschlag hast, stellst du dir unterbewusst vor, dass dieser ins Aus oder ins Netz geht. Oder dass dein Gegner dir diesen zweiten Aufschlag direkt um die Ohren haut. 

In deinen Gedanken und Bildern über diese Spielsituation existiert gar keine andere Möglichkeit als dein Versagen.

Es ist an der Zeit, dass du in genau diesen Situationen auf dem Tennisplatz beginnst anders zu denken. Das ist der Grundstein für Veränderung. 

Du kannst beginnen, morgens auf der anderen Seite des Bettes aufzustehen. Du kannst beginnen, deinen Kaffee ohne Milch zu trinken. Das alles wird dir nichts nützen, solange deine Gedankenmuster und dein Bewusstsein immer noch negativ sind. Deine Veränderung beginnt nicht außerhalb, sondern in deinen Gedanken.

Was kann man gegen Nervosität beim Tennis machen?

Das beste Mittel gegen Nervosität beim Tennis sind Atemtechniken in Kombination mit Visualisierungen.

Hier ein Beispiel:

Du atmest fünf Sekunden durch die Nase ein, hältst deinen Atem für vier Sekunden und atmest anschließend sechs Sekunden langsam, bewusst kontrolliert wieder aus.

Jetzt kommt der Trick:

Während dieser Atemtechnik gehst du in detailreichen Bildern, mit all deiner Fantasie, den nächsten Ballwechsel durch. Du gehst ihn aber nicht nur einfach durch. Du stellst ihn dir in absoluter Perfektion vor. Das kann ein Aufschlag nach außen sein, der perfekt an der äußeren Seitenlinie kratzt. Das kann ein unfassbarer Stopp gegen die Laufrichtung deines Gegners sein.

Deiner Fantasie sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt.

Warum ist diese Technik bei Nervosität so hilfreich?

Durch die Atemtechnik entspannst du deinen Körper und deinen Geist. Du fährst deine negativen Emotionen herunter. Der Lärm deiner Gedanken verstummt.

Gleichzeitig füllst du deinen Kopf mit positiven Bildern. Du denkst im wahrsten Sinne positiv, um dadurch positiv in den nächsten Ballwechsel zu starten.

Nervosität beim zweiten Aufschlag

Bleiben wir bei unserem Beispiel, den zweiten Aufschlag. 

Du stehst an der Grundlinie, nimmst dir kaum Zeit, wirfst den Ball hastig hoch. Während dessen braut sich in deinen Gedanken ein Sturm der Versagensangst zusammen.

Wird dein zweiter Aufschlag platziert, lang und sicher?

Natürlich nicht.

Wenn du dich das nächste Mal in einer solchen Spielsituation befindest, lege deine Zunge gegen deinen Gaumen. Achte auf deinen Bauch und fange gleichzeitig an durch die Nase zu atmen.

Konzentriere dich genau auf diese Abfolge:

  • Zunge an den Gaumen
  • Konzentration auf den Bauch
  • atme durch die Nase

Du kannst nicht einen positiven und einen negativen Gedanken gleichzeitig denken. Das ist vollkommen unmöglich. Du kannst dich nicht auf das Atmen durch die Nase konzentrieren und gleichzeitig einen Sturm der Angst in deinen Gedanken erzeugen.

Du wirst spürbar ruhiger werden, wenn du auf die richtige Art und Weise atmest. Das richtige Atmen ist wie ein Zügel für deine rastlosen und negativen Gedanken vor deinem zweiten Aufschlag. Schaffst du es, diese schlechten Gedanken zu beruhigen und in ihre Schranken zu weisen, bist du bereit neue Bilder in deinen Gedanken zu zeichnen.

Positive Bilder.

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Die Zukunft

Jeder deiner Gedanken wird in deinem Unterbewusstsein abgespeichert. Du kannst dir durch deine Gedanken einen ganzen Schrank an positiven Einflüssen schustern. Kaum ein Clubspieler macht von diesen geistigen Gesetzen gebrauch, obwohl Tennis ein so intuitiver Sport ist. Dein Unterbewusstsein steuert viele deiner Entscheidungen und Emotionen. Du kannst durch deine Gedanken deine Angst, egal ob vor dem Sieg oder vor der Niederlage, in den Griff bekommen.

Entwickel in deinen Gedanken einen Beobachter. Dieser thront über deinem Gedankenchaos und teilt das Chaos in verschiedene Gruppen ein.

  • Negatives Chaos
  • Belangloses Chaos
  • Positives Chaos

Der Beobachter erkennt deine negativen und ängstlichen Gedanken, zieht diese aus deinem Gedankenchaos heraus und stempelt sie ab. Wenn du den Beobachter mit der Zeit entwickelst, wirst du zwangsläufig ein vollkommen anderes Gefühl zu deiner Angst auf dem Platz bekommen. Die Angst wird dich nicht mehr im Griff haben, da sich deine Bilder nicht mehr mit möglichen Spielsituationen beschäftigen, sondern mit deinem Beobachter.

Verrückt, oder?!

Das mag für dich vielleicht verrückt klingen. Aber verrückte Wege sind nie verkehrt. Wenn du wirklich etwas Essenzielles in deinem Tennis verändern willst, musst du bei deinen eigenen Gedanken starten. Achte bei deinem nächsten Trainingsmatch auf das, was du denkst. Du wirst feststellen, dass sich deine Gedanken immer wiederholen werden. Und dass diese Gedanken zumeist negativer Natur sein werden. 

Änderst du deine Gedanken, änderst du deine Einstellung zu deinem ganzen Spiel.

Wenn du dich traust, mach dich auf den Weg zu einer neuen Denkweise.

Du wirst verblüfft sein, was du alles erleben wirst.

Warum sind Angst und Nervosität beim Tennis hilfreich für bessere Leistungen?

Wir haben in diesem Artikel über Stan Wawrinka gesprochen.

Er hatte zu Beginn seines Matches gegen den großartigen Novak Djokovic so extrem mit Panik und Angst zu kämpfen, dass er in einen Tunnel kam.

Dieser Tunnel war zu Beginn wahrscheinlich nicht angenehm und nicht hilfreich.

Aber, und das brechen wir jetzt mal rein rational herunter:

Seine Angst und Panik haben ihm geholfen, sich voll und ganz auf das Match zu konzentrieren.

Das ist Fakt.

Wenn wir mal überlegen, dann ist Anspannung oder auch Nervosität eine Form von Konzentration. Du bist mit deinen Gedanken und Gefühlen voll dabei. Du interpretierst die Symptome deines Körpers, wie Herzrasen und Unwohlsein in der Magengegend, nur negativ. Klar, das ist ja auch nicht angenehm.

Aber ist es nicht auch so, dass dir diese Symptome helfen dich ausschließlich auf das Match zu konzentrieren?

Das Beispiel von Stan Wawrinka zeigt sehr deutlich, dass man seine Angst und Nervosität auch anders interpretieren kann. Wir spielen meist dann unser bestes Tennis, wenn wir möglichst wenig nachdenken. Dafür müssen wir aber erst in einen Tunnel aus Konzentration und Fokus kommen.

Dieser Tunnel führt, leider, durch Angst, Nervosität und eben einen Zitterarm.

Zusammenfassung

Wir können also festhalten, dass Angst und Nervosität beim Tennis vollkommen normal sind. 

So normal wie der Netzpfosten.

Wir haben von Stan Wawrinka und Roger Federer gelernt, wie selbst großartige Champions unseres geliebten Tennissports mit Schlaflosigkeit, Angst und Panik zu kämpfen haben.

Um dann aber dennoch zu triumphieren.

Das führt uns zu der Lehre:

Angst und Nervosität gehören zu deinem Spiel wie die Vor- und Rückhand.

Wir haben auch gelernt, wie du durch eine kluge Matchvorbereitung, indem du deine Gedanken mit positiven Bildern füllst, tatsächlich mit weniger Angst auf den Platz marschieren kannst. 

Was uns zum Schluss bringt:

Das mentale Spielchen wird beim Tennis immer noch unterschätzt.

Marco Kühn
Marco Kühn
Marco ist an der Grundlinie groß geworden und ehemaliger Jugendranglistenspieler. Heute hilft er mit seinem Blog Clubspielern besser Tennis zu spielen. Er schrieb bereits für tennisnet.com, tennisMAGAZIN, Tennis-Point und den Focus.

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3 Kommentare

Luca
Luca
Ich habe diesen Tweet gefunden weil ich genau das selbe Problem habe . Aber wirklich extrem. Ich spiele ca 10 bis 12 Stunden in der Woche Tennis . Ich bin verrückt nach Tennis. Kaum fängt ein Turniermatch an, zittert meine Hand, mein Puls auf 130, Atmung kurz und schnell. Spiel nur mehr hohe Bälle als ob ich noch nie Tennis gespiet habe. Furchtbar...
Ich bin ansonsten ein solider Spieler mit guter krachenden Vorhand. Rückand ist stabil, aber keine Winner Rückhand. Gewinne im Trainingsspiel auch gegen besser plazierte Spieler. Aber im echten Spiel wird es für mich eine wahre Plage...zum weinen.
Was kann ich tun?
Marco Kühn
Marco Kühn
Hey Luca,

lies dich mal bitte auf tennis-insider.de/blog ein. Dort findest du viele Artikel zu deinem Thema.

Herzliche Grüße
Marco
Andreas
Andreas
Interessante Denkanstöße.
Vor allem ist es wirklich so: Man kann nichts gegen die Nervosität tun, wenn man keine Strategie/Methode hat. Sich einfach einreden, dass das nicht wichtig ist, funktioniert nicht.
Ich spiele manchmal völlig belanglose Spiele auf einer internen Rangliste, bei der mir vordergründig völlig egal ist, ob ich gewinne oder verliere. Beispiel: 40 Leute spielen mit. Die besten 20 sind ohne Diskussion deutlich besser als ich. Ob ich dann an 25. Stelle stehe oder an 28., ist - auch mir - völlig egal. Bin ja auch schon 50plus. Insofern: Hauptsache Spaß haben und nicht verletzen dabei.
Trotzdem klappt in den Spielen nichts, was ich sonst im Training locker hinbekomme. Griff, Schlägerhaltung, Ausholbewegung, Auf-den-Ball-gucken, Treffzeitpunkt .... Alles weg.
Mal schauen, was ich da für mich rausziehen kann. Das Beispiel mit dem zweiten Aufschlag passt zwar nicht so ganz, weil bei mir einfach die ganzen Abläufe betroffen sind; aber das Prinzip ist ja ein grundlegendes.

Was denkst du?

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