"Kühn, was ist da los?"
Ich konnte nicht antworten, da ich gerade mit der Sauerstoffaufnahme beschäftigt war.
Mein Trainer sprach weiter:
"Wie oft haben wir darüber jetzt gesprochen?"
Er fuchtelte wild mit seinem Prince-Racket.
"Deine Beinarbeit ist eine 4-. Du bist einfach ein lauffauler Sack. Wie willst du schnell spielen, wenn sich deine Füße langsam bewegen?"
Was sagt uns das?
Jiri Lehecka ist definitiv schnell auf den Beinen.
Denn:
Der junge Tscheche spielt ein sagenhaftes Powertennis. Mehr Daten zu dieser Power gibt es im späteren Verlauf dieses Artikels.
Kurz zurück zum Intro:
Ich trainierte damals für ein recht großes Ranglistenturnier und lernte in einer einzigen Trainerstunde:
Du kannst nur so schnell spielen, wie du dich auch bewegen kannst.
Was uns ohne Netzroller direkt zu einem der Young-Guns führt. Wenn du mich fragst:
Jiri Lehecka ist mindestens ein kommender Top-10-Spieler.
Auch wenn dieser Artikel im späteren Verlauf viele seiner Schwächen thematisiert.
Bevor wir in die Tiefen des Powertennis und die Lehren für dich eintauchen, lernen wir den guten Jiri erstmal kennen.
Ich habe Lehecka das erste Mal bei einem Hallenturnier so richtig kennengelernt. Es war meine ich in Stockholm. Mir imponierte, wie cool er im Match blieb. Die ganzen Auf und ab`s eines Matches schienen ihm wenig auszumachen.
Er blieb stets emotional kontrolliert.
Mehr noch:
Selbst nach seinem für viele Zuschauer überraschenden Sieg gegen Grigor Dimitrov freute er sich nicht überschwänglich. Er flippte nicht aus vor Freude. Das ist eine hervorragende Eigenschaft, die jeden Spieler mental verbessern kann:
Sei weder zu euphorisch, noch zu negativ im Match.
Schauen wir uns die Fakten zur Person Jiri Lehecka an.
Seinen Instagram-Account findest du hier. Bei Twitter zwitschert er hier (beziehungsweise seine Marketing-Firma ;-) ).
Funfact:
Seine Eltern waren selbst professionelle Sportler (Mutter: Leichtathletin, Vater: Schwimmer). Jiri kommt also aus einer Wettkampf-Familie.
Eventuell verhält er sich deshalb so mental stark auf dem Platz. Die Herkunft sowie die Umgebung formen jeden Spieler. Das ist definitiv Fakt. Jiri Lehecka ist von klein auf mit Wettkämpfen groß geworden.
Ein kleiner Vorteil, wenn es um Bestleistungen unter Druck geht.
Stand März 2023 steht Jiri Lehecka auf Rang 44 im Ranking. Seine Position war bisher Rang 37. Ich bin mir sicher, dass es noch viel weiter nach oben gehen wird.
Jiri Lehecka war die Nummer 10 der Jugend-Weltrangliste. Höher ging es für ihn damals nicht. Auf der Junioren-Tour spielte er übrigens bis 2019, ehe er sich dann für den Wechsel zu den Profis entschied.
Da kam er recht schnell durch, wie man feststellen kann.
Wir können festhalten:
Der Sprung von den Juniors zu den Profis ging rasant. Daher schlage ich vor, dass wir uns mal mit seiner Psyche beschäftigen.
Der gute Jiri spielte bis auf 2017 immer eine positive Matchbilanz:
Darunter schlug er bereits gute Spieler wie:
Sein ganz klar bestes Ergebnis in seiner noch jungen Karriere:
Das Viertelfinale bei den Australian Open 2023.
Dort unterlag er Stefanos Tsitsipas mit 6-3, 7-6 (2), 6-4.
Bis 2020 spielte Jri Lehecka ausschließlich Future- und Challenger-Events. Wahnsinn, wie schnell er sich auf der ATP-Tour nach oben gespielt hat.
Lehecke spielt den Wilson Six One 95 18×20. Dieser ist wie der neue Wilson Blade lackiert. Der Schläger ist seiner Spielweise perfekt angepasst. Der Wilson Six One ist für Hardhitter, die ordentlich Dampf auf die Kugel bekommen wollen.
Der bisher größte Erfolg von Jiri Lehecka war definitiv bei den Australian Open 2023.
Er schlug Cam Norrie (gibt es einen Spieler, der noch langweiliger spielt?) und Felix Auger-Aliassime. Nach seinem Triumph gegen Norrie sagte Jiri beim On-Court-Interview:
"Ich habe gelernt, niemals aufzugeben. Tief in mir haben ich und mein Team immer an große Erfolge geglaubt."
Hier bekommen wir einen Einblick, wie echtes Selbstvertrauen auf dem Tennisplatz auszusehen hat. Klar, man kann Selbstvertrauen sehr einfach wie ein Schauspieler spielen. Man kann auf dem Platz so tun, als wäre man selbstbewusst.
Du gehst aufrecht, hältst Blickkontakt mit dem Gegner, klopfst dir auf die Brust nach einem Vorhand-Winner die Linie entlang, brüllst laut "Come on!" und guckst böse.
Aber die entscheidende Frage ist doch nicht, was du nach außen zeigst, sondern wie es tief in dir, in deiner Tennisspieler-Seele, ausschaut.
Ein paar Zeilen zuvor hatte ich geschrieben, dass Lehecka für sein Alter unglaublich cool und abgebrüht wirkt. Das ist also keinesfalls gespielt. Das können wir aus seiner Aussage entnehmen.
Er wirkt nicht selbstbewusst. Jiri Lehecka ist selbstbewusst.
Dieses Innere spiegelt sein Tennis wider. Er ist das Gegenteil von einem Mondballspieler. Jiri traut sich was, wenn es um die Big-Points geht. Wir kommen im weiteren Verlauf dieses Artikels noch zu seiner Spielweise, seinen spielerischen Stärken sowie Schwächen.
Lass uns zunächst analysieren, was wir noch von Jiri über mental starkes Tennis lernen können.
Nach seinem Match gegen einen meiner persönlichen Lieblinge, Felix Auger-Aliassime, sagte Lehecka:
"Der erste Satz war nicht so schlecht von meiner Seite. Danach habe ich nur noch versucht, mich auf meinen Return zu konzentrieren, weil er ziemlich gut aufgeschlagen hat, und ich habe versucht, eine Lösung zu finden, um besser zu returnieren. Das ist mir auch gelungen. Ich hatte das Gefühl, dass das Halten und die Konzentration auf meinen Aufschlag das Wichtigste sein wird. Im ersten Tiebreak habe ich viel besser gespielt. Im zweiten Tiebreak stand es 50:50. Ich habe einen unglaublichen Schlag gespielt, eine Vorhand die Linie runter, mit der er überhaupt nicht gerechnet hat. Das waren ein paar Momente, in denen ich großartiges Tennis gespielt habe und auch er hat mir mit ein paar Fehlern geholfen."
Du hast in deinen Matches zwei Optionen:
Wer meine Onlinekurse kennt, der kennt dieses mentale Spielchen.
Nehmen wir ein Match gegen einen apokalyptischen Mondballspieler als Beispiel. Du kannst dich über seine hohen Bälle aufregen. Du kannst seine Spielweise als Anti-Tennis bezeichnen, fluchen und hinterher jedem erzählen, der "konnte ja nix".
All das, lieber Tennisfreund, ist problemorientiertes Denken.
Du denkst nur über deine Probleme im Match nach. Stell dir mal vor, du würdest in deinem Job nur über deine Probleme nachdenken - nie über Lösungen. Wärst du dann erfolgreich in dem, was du tust? Ganz sicher nicht!
Exakt so läuft es auf dem Tennisplatz.
Du solltest in Lösungen, nicht in Problemen, denken. Jiri Lehecka sagte in diesem On-Court-Interview:
"Danach habe ich nur noch versucht, mich auf meinen Return zu konzentrieren, weil er ziemlich gut aufgeschlagen hat, und ich habe versucht, eine Lösung zu finden, um besser zu returnieren. Das ist mir auch gelungen. Ich hatte das Gefühl, dass das Halten und die Konzentration auf meinen Aufschlag das Wichtigste sein wird."
Das ist lösungsorientiertes Denken.
Lehecka dachte nicht an die brachialen Grundschläge von Felix. Er dachte auch nicht an das kaum zu breakende Serve des Kanadiers. Jiri dachte nur an die Dinge, die ihm zum Erfolg helfen könnten.
Mit Erfolg.
Lehecka „modellierte“ sein Spiel nach Tomas Berdych.
Wenn man die beiden Spieler miteinander vergleicht, dann fällt dies recht schnell auf. Ein paar Videos auf YouTube verraten, dass ihre Spielanlage sehr ähnlich ist:
Was sagt Tomas Berdych zu seinem tschechischen Thronfolger?
"Er ist sehr jung. Aber was ich gesehen habe, ist wirklich die Art und Weise, wie er sich auf dem Platz gibt sehr gut. Was ich mag, ist seine Fitness und sein starker Körper. Einige der jungen Spieler haben damit zu kämpfen.
Sie brauchen mehr Muskeln oder es fehlt ihnen an Kraft. Das ist definitiv nicht bei ihm der Fall, was mir gefällt."
Berdych hat recht.
Ein Jannik Sinner ist immer noch zu dürr. Ihm fehlt dadurch einfach diese wichtige Stabilität. Dazu marschiert der Südtiroler zwischen den Ballwechseln wie angeschossen über den Platz. Es ist für den Gegenüber nicht gerade beeindruckend, wenn der Gegner im dritten (oder fünften) Satz bei 4:4 ein Bein nach dem anderen hinter sich her schleift, um sich zum nächsten Punkt zu schleppen.
Das ist nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein mentaler Nachteil.
Jiri Lehecka strotzt hingehen vor körperlicher Power. Er ist unglaublich fit und für einen jungen Tennisspieler muskulös. Weder ein Zverev, ein Auger-Aliassime noch ein Sinner sind auch nur im Ansatz so fit.
Ein Alcaraz hat im körperlichen Bereich, trotz seiner jüngeren Jahre, ordentlich zugelegt.
Diese körperliche Power braucht Lehecka auch, um seine Art Tennis spielen zu können. Er ist ein Spieler, bei dem man in jedem Verein sagen würde:
Spiel dem bloß nicht auf die Vorhand!
Ein Berdych in jung, mit einer starken Mentalität.
Hast du Lust auf ein paar Zahlen?
Cool, dann lass uns mal schauen.
Laut den Statistiken von Tennis Data Innovations und TennisViz hat Jiri Lehecka bereits eine der stärksten, giftigsten Vorhände der Welt.
Leheckas durchschnittliche Vorhandgeschwindigkeit liegt bei 79,2 Meilen pro Stunde, mit einer durchschnittlichen Spinrate von 2.992 Umdrehungen pro Minute.
Das ist eine beängstigende Kombination aus Geschwindigkeit und Spin.
Wie gesagt, Jiri ist einer, dem man nicht auf die Vorhand spielen sollte.
Damit liegt Lehecka in der gleichen Größenordnung wie die bekannten Hardhitter Felix Auger-Aliassime (78,4 Meilen pro Stunde und 3.178 Umdrehungen pro Minute), Andrey Rublev (78,2 Meilen pro Stunde und 2.917 Umdrehungen pro Minute) und Jannik Sinner (77,8 Meilen pro Stunde und 2.901 Umdrehungen pro Minute).
Er liegt sogar darüber.
Der ATP-Tour-Durchschnitt für Vorhandgeschwindigkeit und Spin liegt bei 75,1 Meilen pro Stunde bzw. 2.713 Umdrehungen pro Minute.
Eine solche Vorhand spielt Lehecka beim T-Feld-Tennis ;-)
Hier nochmal die Vorhand-Rangliste:
Ich dachte bisher immer, dass Rublev das Hardhitting-Monster sei.
Tennis Data Innovations und TennisViz erstellen auch eine Metrik namens "Shot Quality".
Diese misst Geschwindigkeit, Spin, Tiefe und Weite.
Dazu wird die Auswirkung des Schlages auf den Gegner analysiert.
Leheckas 52-Wochen-Durchschnitt dieser Metrik auf der Vorhandseite liegt bei 8, und in den letzten 10 Matches hat er sich auf 8,3 verbessert. Im vergangenen Jahr lag seine Schlagqualität im gleichen Bereich wie die von Auger-Aliassime (8,1), Rublev (7,9) und Sinner (7,9).
Der Tour-Durchschnitt liegt bei 7,2.
Lehecka experimentierte mit verschiedenen Schläger- und Saiten-Setups, um seine Schläge besser kontrollieren zu können. Sein Trainer, Navratil, sagte dazu:
"Er hatte ein großes Problem mit der Saite. Er war in der Lage, die Saite in 10, 15 Minuten zu zerstören."
Lehecka hat seine Schläger zunehmend härter bespannen lassen, um seine brutalen Schläge mehr zügeln zu können:
"Es ist schon komisch. Letztes Jahr war etwas ganz Besonderes. Er hat letztes Jahr in Australien 35/33 bespannt. Am Anfang war er wirklich ein Biest mit so viel Kraft. Aber schließlich hat er es geschafft, sie zu kontrollieren und alles. Trotzdem denke ich, dass er nicht mit dem vollen Prozentsatz seiner Power spielen kann, weil ich denke, dass es auf dieser Welt keine Schläger gibt, die er voll ausreizen und gleichzeitig kontrollieren kann."
Was uns zum Punkt bringt:
Die größte Stärke im Spiel von Jiri Lehecka ist seine Power, die kein Schläger auf diesem Planeten zähmen kann.
Wenn man seinem Trainer glaubt, dann hat Lehecka zu viel Power. Dazu passt die Einschätzung von Tomas Berdych. Er sagte ja, dass Lehecka ein Fitness-Biest sei.
Ich habe viele Matches von Jiri Lehecka analysiert. Dabei habe ich einige Stärken entschlüsselt, die gleichzeitig aber auch zu seinen Schwächen führen.
Mehr dazu später.
Wir bleiben zunächst bei seinen Stärken.
Was mir sehr gut bei ihm gefällt, ist das Nachrücken ans Netz. Lehecka sucht bewusst den Weg nach vorn. Er nutzt sein Powertennis als Sprungbrett ans Netz. Er kann mit Vor- und Rückhand Gas geben. Vor allem seine Netzangriffe, die er mit seiner Rückhand einleitet, kommen für den Gegner oft überraschend. Dazu nimmt er die Kugel mit seiner beidhändigen Rückhand im Feld stehend, massakriert die Filzkugel, und geht dann diesem Schlag nach.
Sehr gern spielt er diese Rückhand cross:
Der grüne Pfeil zeigt den Weg ans Netz, den Lehecka nach seiner Rückhand einschlägt.
Er kann auch auf langsamere Schläge des Gegners ein Irrsinns-Tempo entfachen. Das ist eine Qualität, die nicht viele Spieler haben.
Er kann nicht nur einfach das Tempo des Gegners mitgehen. Lehecka kann selbst Tempo forcieren. Und zwar unglaubliches Tempo.
Passend zu seinem Powertennis steht Lehecka natürlich wo in den Ballwechseln? Klar, sehr nah an der Grundlinie. Ich habe analysiert, dass er bereits nach seinem Aufschlag entweder auf oder kurz hinter der Grundlinie positioniert bleibt. Er verschiebt seine Position nicht nach hinten. Er will, vermutlich auch aus seinem Unterbewusstsein gesteuert, direkt Tempo machen, den Gegner maximal unter Druck setzen.
Nach dem Motto:
"Mein Freund, du sollst keine Zeit zum ausholen haben!"
Wir finden Jiri Lehecka daher oft hier in den Ballwechseln:
Diese grundlegende Position von ihm führt uns zu seiner größten Waffe im Spiel. Diese Waffe ist eine Kombination aus seiner Psyche, seiner Mentalität, sowie seiner Power.
Wenn es läuft und Jiri viele gute Winner geschlagen hat, dann gibt es kaum noch ein Halten. Ich habe dies in einigen Matches beobachten können. Er ist selbstsicher, ohne arrogant zu sein. Jiri weiß ziemlich genau, was er spielen kann. Und wenn das dann richtig gut funktioniert, dann kommt bei ihm ziemlich viel zusammen:
Mein Eindruck war, dass sich dieses Selbstvertrauen dann in verschiedenen Facetten in seinem Spiel zeigt. Er sucht noch häufiger den Weg nach vorn.
Und:
Er returniert aggressiver.
Meiner Meinung nach steht er beim ersten Aufschlag des Gegners etwas zu weit hinten. Es kann sein, dass ich nur die falschen Matches gesehen habe. Es kann aber auch sein, dass er diese Position wählt, wenn er sich nicht ganz so selbstbewusst auf dem Court fühlt. Man müsste ihn mal fragen.
Auf jeden Fall steht er beim zweiten Serve des Gegners viel näher an der Linie. Etwas, was sich Daniil Medvedev mal von ihm abschauen sollte. Der steht ja stets im Publikum bei Aufschlag des Gegners.
Spürt Lehecka dieses natürliche Selbstvertrauen, dann finden wir ihn beim Return auf den zweiten Aufschlag gerne hier:
Sein Spiel ist auf eine Sache ausgelegt:
Maximale Power, maximaler Druck auf den Gegner. Im besten Falle soll der Gegner so wenig Schläge wie möglich spielen. Lehecka will nicht beschäftigt werden (so wie ein Daniil Medvedev zum Beispiel), er will beschäftigen. Dazu nutzt er seine unbändige Power und seine Netzangriffe.
Wie bereits geschrieben:
Ich bin großer Fan seines Netzspiels. Er spielt einen besseren Volley als ein Tsitsipas. Wäre ich Trainer von Jiri Lehecka, so würde ich das Abdecken des Netzes, die Bewegungsrouten am Netz selbst, weiter ausbauen und verbessern.
Falls du dich fragst, warum ich bisher noch kein Wort zu seinem Aufschlag verloren habe, so kann ich dich beruhigen. Ich bin kritisch. Und daher habe ich seinen Aufschlag zu den Schwächen gepackt.
Warum?
Das kannst du jetzt herausfinden:
Bereits in der Analyse zu Brandon Nakashima schrieb ich, dass die Young-Guns ein wenig hirnlos spielen. Sie können die Kugel unglaublich hart schlagen. Sie sind alle fit. Aber es fehlt der Spielwitz, das Überraschende in ihrem Spiel.
Carlos Alcaraz besitzt seine Stoppbälle, seine Kreativität, seine Netzangriffe.
Aber was besitzt ein Jannik Sinner?
Oder eben ein Jiri Lehecka?
Ja klar, Lehecka hat bereits jetzt dieses tolle Netzspiel. Das ist ein sehr guter Anfang. Aber mir fehlt da die Würze, der Pfiff - dieses geistreiche. Sein Aufschlag ist dafür das beste Beispiel. Das ist ein Brett, klar. Seine Technik ist, wie ich finde, schon sehr ausgereift. Aber warum verdammtnochmal serviert er nicht mal mit Witz?
Seine meisten Aufschläge folgen einem Muster, bei dem ich während meiner Analysen fast eingenickt wäre:
Die Richtung seiner Aufschläge ist eintönig.
Nicht nur, dass er kaum variantenreich serviert. Er serviert auch sehr oft immer gleich. Die Topspieler mit einem starken Return haben dieses gähnend langweilige Muster innerhalb von drei Aufschlagspielen durchschaut. Ein Djokovic wird die Aufschläge von Lehecka problemlos lang vor die Füße returnieren.
Nicht, weil der Aufschlag von Jiri Lehecka schlecht ist.
Ich finde, er hat einen harten, technisch sauberen Aufschlag. Aber er macht viel zu wenig aus den Möglichkeiten, die er ja eindeutig besitzt. So, als würde er auf einer Truhe voll Gold sitzen. Er weiß nur nicht, dass in dieser Truhe unter seinem Po alles voll Gold ist.
Dabei könnte er vom Aufschlag weg hervorragend die Punkte so strukturieren, dass er sein Powertennis perfekt einsetzen kann. Eine simple Slice-Aufschlag-Vorhand-Kombi wäre da ein wirklich gutes Mittel:
Ja klar, das ist ein simpler Spielzug.
Aufschlag nach außen, kürzerer Return, Attacke mit der Vorhand.
Aber man muss die spielerischen Waffen für diesen Spielzug haben. Und Jiri Lehecka hat all diese Optionen. Er besitzt einen starken Aufschlag und die laut Zahlen mächtigste Vorhand der Welt.
Die Preisfrage, die wir uns daher stellen, lautet:
Warum spielt Lehecka diese Kombi nicht viel öfters? Warum serviert er viel zu oft stur nur knallhart auf Mann? Ich weiß es leider nicht.
Mir sind noch ein paar andere Schwächen aufgefallen. Alles, Dinge, die eventuell auch auf dein Spiel zutreffen. Nur auf einem etwas anderen Niveau ;-)
Punkt 1:
Wenn es bei Lehecka nicht gut läuft, dann ist die Streuung in seinen Schlägen enorm. Ihm unterlaufen dann vor allem viele Fehler, wenn er mittig angespielt wird. Ihm fehlen dann die Winkel für seine Schläge. Wird er mittig angespielt und sein Selbstvertrauen ist nicht On-Point, dann verschlägt er viele Bälle nach hinten ins Aus.
Punkt 2:
Aus der Defensive heraus will er zu viel. In meinen Analysen sah ich immer wieder ein wiederkehrendes Muster.
Hier ein Screenshot aus den Analysen:
Wenn der Gegner Lehecka bewegt bekommt, und wenn Lehecka mehr reagieren muss als agieren kann, dann will er aus der Defensive auf den Winner gehen.
Das macht, rein taktisch gesehen, fast nie Sinn.
Hier mal ein Beispiel:
Er will aus einer tiefen Defensive heraus Winner schlagen. Vermutlich, weil er verzweifelt ist? Ich weiß es nicht. Dieses taktische Verhalten führt dazu, dass er aus einer Mühle des Gegners nur selten heraus findet.
Ergo:
Wird Jiri Lehecka in die Defensive gedrängt, dann steht er nackig auf dem Platz ;-) Seine Stärken, die Power, kann er nicht mehr einsetzen. In manchen Phasen habe ich dieses Phänomen bereits gesehen, wenn er vom Gegner bewegt wurde.
Was meine ich damit genau?
Wenn Lehecka drei, vier Bälle in Serie aus dem Lauf heraus spielen musste, dann ging seine Fehlerquote automatisch weiter nach oben. Was uns zum nächsten Punkt, der nächsten Schwäche in seinem Spiel führt.
Es gibt den Berrettini-Komplex.
Dieser tritt dann auf, wenn ein Spieler mit unglaublichen harten Schlägen und Power-Tennis in den entscheidenden Spielsituationen den Fehler statt dem Winner schlägt. Ich mein, man könnte ja auch einfach mal nur reinspielen und den Kopf einschalten.
Berrettini ist darin absolute Weltklasse.
Das ist meiner Meinung nach der Grund, warum er nie ein Grand-Slam-Turnier gewinnen wird.
Bei Lehecka sehe ich Ähnlichkeiten.
Seine Fehlerquote ist einfach noch zu hoch. Er muss seine Power besser dosieren. Er muss sein Powertennis mit Witz, Charme und Köpfchen würzen.
Ich denke, du kannst eine Menge von Jiri Lehecka lernen.
Ganz gleich, ob du ein LK-1er bist oder noch Anfänger.
Echte Powertennis benötigt körperliche Fitness. Immer und immer wieder, in jedem Ballwechsel voll auf die Kugel draufzugehen, schlaucht. Selbstverständlich sollst du immer mit Schwung Tennis spielen - nicht mit Kraft. Dennoch ist dieser Spielstil anstrengend.
Wir haben im Verlauf des Artikels aber auch über die Fehlerquote gesprochen. Wenn du echtes Powertennis zeigen willst, dann halte deine Fehlerquote im Auge. Richte deine Power im besten Falle immer an deinem Selbstvertrauen im Match aus.
Merke:
Es ist ganz natürlich, dass sich dein Vertrauen in deine spielerischen Fähigkeiten im Match verändert. Mal spürst du die Kugel besser im match, mal schlechter. Das ist normal. Wichtig ist hier, und das haben wir auch von Jiri Lehecka lernen können:
Sei weder zu euphorisch, noch zu negativ auf dem Court.
Für mich, als Mentaltrainer, ist dies eine tolle Qualität in seinem Spiel. Sein Tennis-Charakter ist sehr sehr stark. Und hier kannst du dir auch einige Dinge von ihm abschauen.
Wie zum Beispiel:
Ich wünsche dir viel Spaß und erfolg auf dem Platz!
2 Kommentare
Coole detailgenaue Analyse von Lehecka.
Habe Ihn 2022 in Kitzbühl zum ersten mal spielen gesehen und zu meinen Freund auf der Tribüne gesagt, dass ist für mich ein Top 10 Spieler.
Und spielerisch wie mental sehe ich das immer noch so. Taktisch gebe ich Dir auch vollkommen recht. Da ist noch deutlich Luft nach oben. Aufschlagvarianten und defensiv Verhalten.
Wo ich seine Achillisverse sehe ist eher in seiner Kraft. Für mich ist das mittlerweile Zuviel Muskelmasse die er bewegen muss und sich in langen Matches negativ auswirken wird. Für mich übertreibt er in diesem Punkt. Und das glaube ich geht nicht gut. Hier muss er noch mehr Balance finden.
Ansonsten stimme ich Dir total zu was sein Potential betrifft.
Guter Artikel. Weiter so.
Gruss, ein Tennisfreund.
sehr gute Einschätzung von dir. Er ist ein Kraftprotz geworden. Ich glaube aber, dass er auch sehr sehr fit ist. Ich finde, er bewegt sich ausgezeichnet. Das hat das Nadal-Match gezeigt. Es ist kompliziert, gegen den heftigen Spin immer pünktlich am Ball zu sein. Das gelang ihm mühelos.
Ich glaube eher, dass er an der Shot-Selection arbeiten sollte. Ob da Berdych der beste Ansprechpartner ist, das wage ich zu bezweifeln 🙃
Beste Grüße
Marco
Was denkst du?